Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - Ironside, V: Nein! Ich geh nicht zum Seniorentreff! - The Virginia Monologues
ufhebens darum gemacht. W as soll’s? Es macht mir nichts aus, einen Raum zu betreten und mich nicht mehr erinnern zu können, was ich dort wollte. Es wird mir schon wieder einfallen, denke ich dann. Und überhaupt! Dann erinnere ich mich eben nicht mehr an den Namen der Schauspielerin, die in diesem Film mitgespielt hat, die, die das Kaninchen der Familie in den Kochtopf warf. Na und?
Und warum erinnern wir uns an manches absolut nicht mehr? Ganz einfach, weil unser Kopf förmlich platzt von W issen. Homer Simpson, ein kluger alter Knabe, hat mal gesagt: » Immer wenn ich was Neues lerne, fliegt was A ltes aus meinem Hirn raus.«
Wenn Sie in mein Gehirn schauen könnten, dann würden sie ein hübsches altes viktorianisches Zimmer sehen, verstaubt und voller Schnickschnack– mit Grünpflanzen, alten Muscheln, Geschirr und Nippes, stapelweise alten Büchern, Bildern… W enn man dagegen ins Gehirn eines jungen Menschen schaut, dann sieht es dort aus wie in einem von diesen weißen, kahlen, minimalistischen W ohnzimmern, wie man sie heutzutage in allen Katalogen sieht: modern, aber steril. Kein W under, dass sich ein junger Mensch an alles erinnern kann. Da gibt es ja noch nicht so viel. (Ja, ja, ich weiß, dass ich das bereits gesagt habe.)
Natürlich nervt es mich gewaltig, wenn mir jemand eine Nachricht auf dem A nrufbeantworter hinterlässt und seine Nummer dabei so schnell draufspricht, dass ich sie mir unmöglich auf A nhieb notieren kann. Ich bin dann gezwungen, irgendeine lange, öde Nachricht mehrmals anzuhören, bloß um die blöde Nummer zu notieren.
Und es ärgert mich, dass ich beim Sprechen zwar fast nie das falsche W ort benutze, beim Schreiben aber schon. Ich hatte vorhin zum Beispiel statt » wie« » wir« getippt.
Ganz ehrlich, mir ist es am liebsten so, wie es jetzt ist. A n die meisten Dinge, die ich vergessen habe, möchte ich mich gar nicht mehr erinnern. Und überhaupt, w ozu brauchen wir bitte schön ein Gedächtnis? W ie gesagt halte ich uns für eine der glücklichsten Generationen überhaupt– gerade wenn wir anfangen, unser Gedächtnis zu verlieren. Denn dann gibt es ja noch W ikipedia.
3. Selbstbewusstsein
Ich bin jetzt ein großes Mädchen, Mami.
Ich kann laufen, wenn ich mich am Stuhl festhalte,
ich kann alleine mit dem Löffel essen
und ich kann »Muh« sagen.
Ich bin jetzt ein großes Mädchen, Mami.
Ich kann zur Schule gehen,
und ich kann ganz alleine die Straße überqueren.
Ich bin jetzt ein großes Mädchen, Mami.
Ich kann nach Hause kommen, wann es mir passt,
und du kannst von Glück sagen, dass ich überhaupt nach Hause komme!
Ich bin jetzt ein großes Mädchen, Mami.
Ich sitze in Konferenzen und kommandiere Leute herum,
und ich bestimme, was meine Kinder bei dir essen, falls ich sie überhaupt bei dir lasse.
Ich bin jetzt ein großes Mädchen, Mami,
und blicke dem Tod gelassen ins Auge.
Und dann sehen wir uns wieder, Mami.*
Ich war eins dieser Kinder, die total in Panik gerieten, wenn ihre Mutter sie zwang, auf eine Kinderparty zu gehen. Ich drückte mich dort dann gewöhnlich daumenlutschend in irgendeiner Ecke herum und klammerte mich verzweifelt an die Rockschöße meiner Mutter, wenn sie gehen wollte. In meiner Not suchte ich schließlich Zuflucht bei den Großeltern irgendwelcher anderer Kinder und weigerte mich, Fangen oder »Die Reise nach Jerusalem« mitzuspielen. W enn man mir zur Teezeit einen Muffin mit rosa Zuckerguss anbot, schüttelte ich stumm den Kopf. Das Einzige, was ich flüsternd herausbrachte, waren die bangen Fragen: » Darf ich bald heimgehen?« oder » Kommt mich meine Mami bald abholen?«
In meinen Zeugnissen stand regelmäßig, dass ich versuchen müsse, meine Schüchternheit abzulegen.
In einem fremden Haus übernachten zu müssen– selbst bei engen V erwandten– war so schlimm für mich, dass ich gar nicht mehr aufhören konnte zu weinen.
Als ich ungefähr sieben Jahre alt war, habe ich einmal versucht, bei einer Schulfreundin zu übernachten. Sie wohnte direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite. V on ihrem Zimmer aus konnte ich das Schlafzimmerfenster meiner Eltern sehen. A ls ich abends gegen halb zehn hinüberschaute, sah ich, wie meine Eltern dort drin herumgingen. Da bekam ich ein solches Heimweh, dass ich in hysterische Tränen ausbrach. A m Ende musste man mich– tränenüberströmt, in der Hand das kleine Köfferchen, das ich an jenem Morgen so liebevoll gepackt hatte– über die Straße geleiten und
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