Nein! Ich möchte keine Kaffeefahrt!
auf den Baum schaffen und dort festnageln wollen, und sie werden auch einen Schlafsack, eine FlascheWasser und Schokolade da oben deponieren.Aber sie sagen, ich dürfte nicht zu viel trinken, damit ich nicht pinkeln muss. Sie meinen, ich könnte vierundzwanzig Stunden durchstehen, ohne aufs Klo zu gehen, und wenn ich es nicht mehr aushalten würde, müsste ich eben kurz herunterklettern, hinter einem Busch verschwinden und wieder hochsteigen. (Da ich inzwischen nachts alle zehn Minuten aufs Klo muss, halte ich diese Einschätzung für gewagt, aber ich muss eben Daumen drücken, dass es klappt. Oder vielmehr die Beine zusammendrücken.) Essen darf ich aus demselben Grund auch nichts, aber ich bin sicher, dass ich problemlos vierundzwanzig Stunden ohne Essen auskommen werde.
Inzwischen haben wir eine wechselnde Besetzung für den Baum ausgearbeitet, denn niemand kann länger als einen ganzenTag oben bleiben. Nach mir ist Penny dran und danach Marion und ein paar andere beherzte alte Mädels aus der Straße. Sheila die Dealerin meint, sie sei weder für Liebe noch für Geld da raufzukriegen, und Pfarrer Emmanuel sagte, er hätte in der Kirche alle Hände voll zu tun. So ein Hasenfuß.
Ich müsste eigentlich heute Nacht ausreichend Schlaf haben, schreibe dies aber um drei Uhr morgens, weil ich vor Panik keinAuge zutun kann. Doch jetzt gibt es kein Entkommen mehr. Hauptsache, die Presse kriegt ihre Fotos, das ist dasWichtigste.
Nur Mut, altes Mädchen!
30. November
Was für eine Nacht!Alles hat bestens geklappt, aber ich bin immer noch ein nervösesWrack!
Um elf Uhr abends haben wir uns in den Park geschlichen.War nur ein Drogendealer vor Ort (bisschen früh für seine Branche), der sich von unseremVorhaben äußerst begeistert zeigte. Und er dankte uns für die Info, weil er dann seine Kollegen warnen konnte, bevor die Presseleute anrückten.
James und Ned hatten alles gut vorbereitet. Ned war im Zwielicht unbemerkt auf den Baum gestiegen und hatte dort oben eine Plattform in der Größe meiner Haustür angebracht. Dann hatte er für mich eine Strickleiter heruntergelassen. James musste mich von hinten stützen, während ich hochkletterte. Das Spruchband hatten sie auch schon aufgehängt, sodass ich nichts zu tun hatte– außer einfach anwesend zu sein. Dann stiegen sie beide wieder hinunter, und ich zog die Strickleiter hoch.War furchtbar schwer. Es war sehr kalt, aber ich hatte zum Glück mehrere Pullis, dicke Socken und einen warmenWollhut mit Ohrenklappen mitgebracht.
Ich hatte nicht erwartet, dass Bäume sich so viel bewegen. Sie sehen so fest aus, aber wenn man hoch oben ist, schwankt das ganze Ding beim kleinsten Luftzug. Und wie laut es ist, wenn die Äste sich bewegen! Muss ein extremer Krach sein, wenn so ein Baum auch noch Blätter hat. Es war natürlich sehr unheimlich, hier oben zu sein, aber auch spannend, und James und Ned waren so lieb, unten in einem Zelt zu schlafen, damit ich nach ihnen schreien konnte, falls ich mich fürchtete, aber das war dann gar nicht nötig. Ich hatte ein bisschenAngst, im Schlaf herunterzurollen, doch da Ned die Plattform rundherum mit Brettern abgesichert hatte, konnte das eigentlich gar nicht passieren.
Ich hatte mir gedacht, dass ich ein bisschen stricken könnte– mir fehlen nur noch dieArme am Pulli–, hatte aber mein Strickzeug blöderweise zuhause vergessen, so dass ich mich nur damit beschäftigen konnte, dieWelt unter mir zu betrachten.
DieAussicht war hinreißend.Als es richtig dunkel wurde, begannen die Straßen im orangefarbenen Licht der Natriumlampen zu leuchten.Autos dröhnten, Sirenen schrillten, und in der Ferne konnte ich sogar das Riesenrad und die Lichter von CanaryWharf erkennen. Es war ein überwältigenderAnblick, und ich spürte plötzlich eine große Liebe undVerbundenheit mit London, und zum ersten Mal seit ewigen Zeiten (Martha wäre hocherfreut) war ich so ergriffen, dass ich wirklich staunte wie ein Kind. Schlaf war ausgeschlossen, weil ständig etwas Neues geschah. Neue Laute, Lichter gingen an und aus, neue Sterne blinkten, der Mond bewegte sich langsam über den Himmel.Ab und an regte sich einVogel, und Flugzeuge dröhnten über die Dächer.Wäre nicht die Sache mit dem Klo gewesen, wäre ich gerne freiwillig eine ganzeWoche dort oben geblieben.
Es fühlte sich aber auch seltsam an, sich nun in einem Baum zu befinden, den ich gemalt hatte. Ich kam mir irgendwie aufdringlich vor, so als würde ich einemAktmodell den Hof
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