Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)
einzelne Absicht herausfiltern
Ihre Absicht ist nichts frei Erfundenes, sondern etwas, das Sie aus Ihren Interessen, Bedürfnissen und Werten herauskristallisieren. Sie können Ihrem Nein wirkliche Macht verleihen, indem Sie aus Ihren unterschiedlichen Motivationen eine einzige fokussierte Absicht herausfiltern – Ihr Ja!
Ihre Interessen, Bedürfnisse und Werte zu enthüllen ist eine divergente Handlung: Ausgehend von der einzelnen Position des Neins gehen Sie zu den vielen verschiedenen Motiven und Gründen, die dahinter liegen. Eine einzelne Absicht herauszufiltern ist im Gegensatz dazu eine konvergente Handlung, bei der Sie von vielen verschiedenen Motivationen ausgehen und zu einer einzelnen Absicht gelangen, unter der sie sich zusammenfassen lassen. Wenn Ihre Interessen den Wurzeln des Baumes vergleichbar sind, so entspricht der Fuß des Baumstammes, wo alle Wurzeln auseinanderlaufen – eben konvergieren –, Ihren Absichten.
Erstellen Sie zunächst eine Liste derjenigen Interessen, die Sie zu dem Nein, das Sie sagen wollen, motivieren. Versuchen Sie anschließend, die Essenz in einem einzigen Satz oder Ausdruck zusammenzufassen. Für John, den Mann, der Nein zu seinem tyrannischen Vater sagte, lautete der Schlüsselbegriff »Selbstachtung«. Für meinen Verwandten, der Nein zu seiner Alkoholsucht sagte, lautete die Essenz: »mit meinen Enkeln zusammen zu sein«. Fragen Sie sich Folgendes: »Wofür trete ich wirklich ein? Welche Werte oder Bedürfnisse haben für mich Vorrang und welche versuche ich zu schützen? Was liegt mir wirklich am Herzen: mein Glück, das Wohlergehen meiner Familie, der Firmenname und die dazugehörige Philosophie beziehungsweise die Marke, meine persönliche Integrität oder etwas anderes?«
Der Geschäftsführer einer bekannten internationalen Hotelkette sagte Ja zum guten Ruf seines Hotels, als er sich weigerte, den Forderungen des einflussreichen Hotelbesitzers eines Ferienhotels in der Karibik nachzukommen. Der bewusste Geschäftspartner hatte in seiner Eigenschaft als Lizenznehmer Ausnahmen in den Markenstandards gefordert, als der Bau eines neuen Hotelkomplexes beinahe abgeschlossen war. Der Geschäftsführer sagte Nein, nicht nur aufgrund der Firmenpolitik, sondern weil er wusste, dass die Marke der Hauptaktivposten der Hotelkette war. »Unser guter Name hat keine Bedeutung mehr, wenn wir nicht an unseren Standards festhalten«, erklärte er mir später. Er hatte sein Ja enthüllt und herauskristallisiert, weshalb es ihm nicht schwerfiel, seinem Lizenznehmer mit Nein zu antworten, indem er argumentierte: »Sie und andere wollen unseren guten Namen doch nur deshalb für Ihr Hotel haben, weil wir bei unseren Qualitätsstandards keine Abstriche dulden.«
Da Ihre Absicht meist eher allgemeiner Natur ist, ist es oft nützlich, ihr mehr Kontur zu verleihen, indem Sie sich ein positives Ergebnis vorstellen. Fragen Sie sich: »Durch welche konkrete Lösung würden meine Interessen befriedigt?« Stellen Sie sich vor Ihrem geistigen Auge plastisch vor, welches Ergebnis Sie anstreben, genau wie Athleten es vor einem Wettkampf häufig tun. Wie könnte es aussehen, wenn Ihr Gegenüber sich entschließen würde, Ihre Bedürfnisse zu respektieren? Diese Art der konkreten Visualisierung kann dazu beitragen, Ihnen das Selbstvertrauen und die Überzeugung zu geben, die Sie zum Erfolg benötigen.
Ebenso hilfreich ist es, Ihre Absicht schriftlich festzuhalten oder mit einem Freund oder Kollegen darüber zu sprechen. Dadurch rufen Sie sich die Verpflichtung ins Gedächtnis, die Sie sich selbst gegenüber eingegangen sind.
Unterscheiden Sie zwischen »ob« und »wie«
Manchmal ertappen wir uns bei dem Gedanken: »Ich würde gern Nein sagen, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie ich das meiner Mutter, meinem Vorgesetzten oder Freund beibringen soll.« Wir sabotieren unsere Absicht, Nein zu sagen, noch bevor wir mit dem anderen gesprochen haben.
»Hier kann ich unmöglich Nein sagen!«, denken Sie möglicherweise, wenn gute Freunde Sie bitten, ihnen beim Umzug behilflich zu sein. Sie wissen, dass Sie momentan absolut keine Zeit haben, aber Ihre Schuldgefühle und Ihre Angst machen ein Nein geradezu unvorstellbar. Also geben Sie nach und sagen Ihre Hilfe zu. Hinterher empfinden Sie Bedauern, Groll und Wut – denn eigentlich passt es Ihnen nach wie vor nicht in den Kram.
Vielen von uns passiert so etwas täglich. Dieses Fehlverhalten entspringt der üblichen Praxis, nicht zwischen
Weitere Kostenlose Bücher