Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts (German Edition)
Ausdruck gebracht. Manche Werte variieren von Kultur zu Kultur, von Mensch zu Mensch, andere wiederum gehören überall auf der Welt zum Allgemeingut, etwa Ehrlichkeit, Integrität, Respekt, Toleranz, Freundlichkeit, Solidarität, Fairness, Mut und Frieden.
Werte können Ihre Fähigkeit, Nein zu sagen, stark motivieren. Den meisten Menschen fällt es leichter, für ein übergeordnetes Ziel statt für Ihre persönlichen Belange einzutreten.
Ein gutes Beispiel ist die Geschichte von Sherron Watkins, einer Angestellten der Firma Enron, die den Mut hatte, ihrem Vorgesetzten, dem Geschäftsführer Kenneth Lay, ein Memo zu schicken, durch das sie ihre große Sorge über die betrügerischen und illegalen Machenschaften im Rechnungswesen zum Ausdruck brachte und davor warnte, dass die Firma »von einer Welle von Abrechnungsskandalen zerstört« zu werden drohte. Tragischerweise fand ihr Memo keinerlei Beachtung. Der Energieriese machte Bankrott und wurde Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen, und Tausende ahnungsloser Angestellter verloren nicht nur ihren Job, sondern auch noch Ersparnisse. Ihr Memo konnte Enron zwar nicht retten, aber Watkins’ mutiges Eintreten für das Recht war bald öffentlich bekannt. Das Time Magazin kürte sie zu einer der Menschen des Jahres. Schon bald galt sie als Vorbild, das andere ermutigte, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um weitere Katastrophen à la Enron zu verhindern.
Indem Sherron Watkins Nein sagte zur illegalen und unmoralischen Abrechnungspraxis bei Enron, sagte sie Ja zu ihren Werten der Ehrlichkeit und Integrität. Obwohl sie befürchten musste, wegen ihres Memos entlassen zu werden, stellte sie sich nie die Frage, »ob sie es nun losschicken sollte oder nicht. Sie wusste, dass sie etwas Wichtiges zu sagen hatte«, berichtete ihre Mutter später der Washington Post . Es war eine Frage der Werte. Sherron Watkins’ Geschichte zeigt uns eines: Die Enthüllung unserer eigentlichen Werte kann uns die notwendige Motivation liefern, um ein machtvolles und positives Nein zu übermitteln.
Dringen Sie bis zum inneren Kern vor
Bei der Enthüllung Ihrer Bedürfnisse und Werte ist es nützlich, sich selbst die Frage zu stellen: »Was ist mir wirklich wichtig?« Wo liegen Ihre tatsächlichen Prioritäten?
Bei der Aussicht, Nein zu sagen, plagen uns häufig Selbstzweifel und Angst. Möglicherweise fragen Sie sich: »Schaffe ich es, Nein zu sagen? Und werde ich danach auch dabei bleiben?« Um Ihrem mentalen Kritiker gegenüberzutreten, ist es wichtig, zu Ihrem innersten Kern vorzudringen, zu Ihrem wahren Selbst, jenem Ort, der von tief empfundener Sicherheit und Überzeugung geprägt ist. Wie John, dessen Beispiel in der Einleitung zur Sprache kam, tief in seine Seele vordrang, um dort jene Selbstachtung zu finden, die es ihm letztlich ermöglichte, sich seinem Vater zu stellen, so können auch Sie bis zu Ihrem innersten Kern der Selbstachtung vordringen, der es Ihnen ermöglicht, sich zu erheben und Nein zu sagen.
Hören Sie nicht auf, sich selbst zu erforschen. Wie sieht Ihr eigentliches Lebensziel aus? Was ist in Ihren Augen wahr und was falsch? Wie lautet die Botschaft Ihres Herzens und Ihrer Seele?
Einem Senior Manager aus meinem Bekanntenkreis wurde ein attraktives berufliches Angebot gemacht. Aber die Beförderung hätte ausgedehnte Reisetätigkeit zur Folge gehabt. »Meine Kinder sind noch klein«, sagte er. »Deshalb sagte ich Nein, auch wenn es mir nicht leichtfiel, die Gelegenheit ungenutzt vorüberziehen zu lassen.« Er sagte Nein, um Ja zu seiner Familie zu sagen. Seine Kinder waren das, was ihm am meisten bedeutete. Glücklicherweise wurde ihm kurz darauf ein anderer Job angeboten, der es ihm gestattete, in der Nähe seiner Familie zu arbeiten.
Diese Übung ist nicht nur für Einzelpersonen von Nutzen, sondern auch für Unternehmen oder Regierungen, die ihre wahren Prioritäten erkennen müssen. Mit einer solchen Herausforderung sah sich James Burke konfrontiert, der Geschäftsführer des pharmazeutischen Konzerns Johnson & Johnson, als er erfuhr, dass ein Kind und sechs Erwachsene im Umkreis von Chicago nach der Einnahme des Schmerzmittels Tylenol zu Tode gekommen waren. Jemand hatte die Kapseln mutmaßlich mit Blausäure versetzt und sie anschließend wieder in die Regale gestellt. Mit Tylenol machte das Unternehmen den größten Umsatz, denn unter den frei verkäuflichen Schmerzmitteln deckte es einen Marktanteil von 35 Prozent ab. Man stellte sich die Frage, ob
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