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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hin und her, wie es der Schmuggler, der sie einst gewesen war, wohl zu Lebzeiten getan hatte, wenn er seine letzte Beute versoffen hatte und sturzbetrunken aus einer Hafenspelunke getaumelt war, die Arme ausgestreckt, die Hände zu Klauen gekrümmt, der Unterkiefer weit und schlaff herabhängend, als wäre das Gelenk ausgehakt. Alles, was den komischen Eindruck vielleicht ein bisschen trübte, war die violett-aufgedunsene Bewegung in seinem Mund, denn seine Zunge war bereits in Verwesung übergegangen, obwohl seit dem Zeitpunkt seines Todes noch keine Stunde vergangen sein konnte.
    »Worauf wartest du, Ali?«, fragte Hasan streng, aber auch mit einem Unterton von Panik. »Erlöse diese arme Seele von ihren Leiden!«
    Tatsächlich trat Ali der schwankenden Gestalt einen weiteren Schritt entgegen und packte sein Schwert nun mit beiden Händen, um sie zu enthaupten, zögerte dann aber noch einmal. Sein Blick irrte zwischen dem grauen Gesicht des Untoten und Ayla hin und her, und Andrej konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn zu arbeiten begann.
    Und warum auch nicht? Mit einem Male fragte er sich, wie er es auch nur einen einzigen Atemzug lang
nicht
hatte sehen können.
    Ali führte seinen begonnenen Hieb zu Ende, und der trockene Laut, mit dem die Klinge durch das verrottete Fleisch des Toten schnitt, kappte auch Andrejs Gedanken und ließ ihn verwirrt zurück – und mit dem bedrückenden Gefühl, dass ihm Zeit gestohlen worden war, wenn auch nicht viel.
    Wie um den absurden Moment auf die Spitze zu treiben, machte der enthauptete Leichnam noch einen einzelnen tollpatschigen Schritt, kippte stocksteif nach vorne und schien noch im Fallen die Arme nach Ayla auszustrecken. Sein Kopf eilte ihm voraus, indem er mit einem matschigen Laut auf dem Boden aufschlug, wie ein grausiger Ball wieder in die Höhe sprang und in einem betrunkenen Zickzackkurs direkt auf Ayla zurollte, wo er so vor ihren Füßen liegenblieb, dass seine erloschenen Augen in ihr Gesicht hinaufstarrten.
    Ayla war vielleicht das tapferste Mädchen, dem er jemals begegnet war, aber sie war auch noch immer ein Kind, und sie reagierte so, wie es jedes Kind und wohl auch die meisten Erwachsenen an ihrer Stelle getan hätten: Mit einem spitzen Schrei schlug sie beide Hände vor das Gesicht, fuhr herum und rannte wie von Furien gehetzt davon – auch wenn sie nur wenige Schritte weit kam, bevor sie von Kasim unsanft an den Schultern gepackt und festgehalten wurde.
    Eine Sekunde lang. Vielleicht auch weniger.
    Andrej spürte es, ganz kurz bevor es geschah: ein ganz sachtes Beben unter seinen Füßen, als schüttelte sich die Erde selbst vor Entsetzen, von etwas so Widerwärtigem besudelt worden zu sein. Doch seine Reaktion kam zu spät. Er versuchte es, aber er war noch nicht einmal einen Schritt weit gekommen, als sich der Boden unter Kasim und Ayla auftat und beide in einer gewaltigen Explosion aus Staub und brodelnder Schwärze verschlang.

Kapitel 19
    Abu Dun war nur einen Sekundenbruchteil nach ihm am Rand des bodenlosen Loches, das plötzlich dort klaffte, wo noch ein Lidzucken zuvor der vermeintlich massive Boden der Arena gewesen war. Die Ränder des Kraters bröckelten weiter und schienen ihm regelrecht entgegenzuspringen, als wollte ihn nun die Erde selbst verschlingen, und plötzlich war unter seinen Füßen nichts mehr. Da schloss sich Abu Duns eiserne Pranke um seinen Nacken und riss ihn so mühelos zurück, wie ein Erwachsener ein Kind davon abhalten mochte, sich leichtsinnig einem gefährlichen Abgrund zu nähern. Der nubische Riese war allerdings nicht hilfsbereit genug, ihn behutsam abzusetzen. Vielmehr ließ er ihn einfach los, und Andrej fiel so schwer auf den Rücken, dass ihm für einen Moment die Luft wegblieb.
    Als er wieder sehen konnte, knieten außer ihm alle – selbst Hasan – am Rande des gähnenden ovalen Lochs. Jahrtausendealter Staub drang ihm in Rachen und Nase und brachte ihn zum Husten, und als er sich – jetzt vorsichtiger – zum zweiten Mal dem Rand näherte, erkannte er im ersten Moment nichts außer Schwärze, in der sich etwas noch Dunkleres zu bewegen schien. Eine sonderbare Verlockung ging davon aus, als wäre die Lichtlosigkeit selbst zu … etwas geworden, etwas auf grässliche Weise zugleich Fremdes wie düster Vertrautes, das ihn rief und ihn im gleichen Maße warnte, wie es ihn mit unwiderstehlicher Kraft anzog. Wie eine entzündete Wunde, die immer unerträglicher juckte und an der er doch kratzen musste,

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