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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Ali wie vom Donner gerührt dastand und mit den Fingerspitzen über seine Wange strich, als müsste er sich davon überzeugen, dass sie noch da war.
    Kurz entschlossen schüttelte Andrej die Holzsplitter und Glasscherben ab und rannte Abu Dun und dem Mädchen nach.

Kapitel 24
    Andrej musste sich eingestehen, dass er das Mädchen unterschätzt hatte. Ayla war ohne Mühe dem halben Dutzend Wachen entwischt, die Altieri vor dem Raum postiert hatte, und jagte nun so schnell den Korridor hinab, dass es nicht einmal Abu Dun gelang, sie einzuholen, bevor sie die Treppe erreichte. Als er dort dann endlich nach ihr greifen wollte, tauchte sie unter seiner Hand genauso blitzartig weg wie gerade unter der ihres Bruders, schwang sich auf das breite Treppengeländer und rutschte in Windeseile darauf herunter. Statt eines letzten halben Schrittes trennten Abu Dun plötzlich ein Dutzend Stufen von dem Mädchen, dann zwei, sodass er vor lauter Überraschung um ein Haar kopfüber die Treppe hinuntergefallen wäre.
    Das Ende von Aylas Rutschpartie auf dem Treppengeländer war weniger komisch, aber einigermaßen erstaunlich. Sie hatte noch mehr Fahrt aufgenommen, vielleicht sogar mehr, als es ihre Absicht gewesen war, denn sie drohte mit einem der massiven Endpfosten aus Marmor zu kollidieren. Verzweifelt mit den Armen rudernd versuchte sie, ihr Tempo zu vermindern, ohne dabei rücklings zwei Stockwerke in die Tiefe zu fallen, und suchte ihr Heil schließlich in einem gewagten Sprung auf die zweitunterste Stufe.
    Natürlich ging es schief.
    Sie landete scheinbar sicher auf beiden Füßen, wurde aber dann von ihrem eigenen Schwung nach vorn gerissen und überschlug sich drei-, vier-, fünfmal, wobei sie jedes Mal mit solcher Wucht auf den Marmorfliesen aufschlug, dass Andrej das Echo ihres Schmerzes körperlich zu fühlen glaubte. Trotzdem wurde sie vom Schwung ihres eigenen Sturzes noch einmal auf die Füße katapultiert und rannte noch schneller weiter.
    Abu Dun hatte sein Gleichgewicht endlich wiedergefunden und starrte dem Mädchen mit offenem Mund nach. »Allmählich beginnt mir die Kleine zu gefallen. Noch zehn, zwölf Jahre, und ich ziehe sie in die engere Wahl.«
    Andrej fegte an Abu Dun vorbei und rannte, immer mehrere Stufen auf einmal nehmend, hinter ihr her. Kurz bevor sie die nächste Treppe erreichte, holte er sie ein, griff nach ihrer Schulter und rechnete damit, dass sie ihm auf dieselbe Weise Haken schlagend zu entwischen versuchte wie ihrem Bruder und Abu Dun zuvor. Stattdessen ließ sie sich in vollem Lauf auf die Knie fallen und krümmte den Rücken, während sie noch ein gutes Stück weiter auf die Treppe zuschlitterte, sodass Andrej in hohem Bogen über sie hinwegflog und so brutal auf den obersten Stufen aufschlug, dass er nicht nur spüren, sondern auch hören konnte, wie etwas in seinem Rücken mit einem hässlichen Knacken brach. Weiße und rote Blitze tanzten vor seinen Augen, und das Erste, was er dann wieder sah, war Aylas Fuß, der sich auf sein Gesicht senkte, als sie ihre Flucht fortsetzte und ihn kurzerhand als Sprungschanze missbrauchte, um jetzt gleich ein halbes Dutzend Stufen zu überspringen.
    Dann tauchte Abu Duns unverschämt breites Feixen in seinem Blickfeld auf. Und seine Hand, die er ihm entgegenstreckte, um ihm aufzuhelfen. »Wie ich es sage«, griente er.
    Andrejs Rücken tat noch zu weh, und die Schmach saß zu tief, um angemessen darauf zu antworten. Mit zusammengebissenen Zähnen und tapfer jeden Schmerzenslaut unterdrückend ließ er sich von Abu Dun aufhelfen und registrierte missmutig, dass Ayla schon wieder einen gehörigen Vorsprung hatte und nur noch schneller wurde, während sie die breite Treppe eher herunterzufliegen als zu -rennen schien.
    »Schon gut, Sahib«, sagte Abu Dun. »Euer getreuer Diener kümmert sich darum.« Und mit diesen Worten schwang er sich kurzerhand über das Geländer, um gute anderthalb Stockwerke weit in die Tiefe zu springen.
    Es waren hohe Stockwerke, sicherlich höher als die so manchen Hauses in dieser Stadt, und Abu Duns Fall dauerte immerhin so lange, bis sich Andrej vollends aufgerappelt hatte und zum Geländer gestolpert war. Es kam Andrej so vor, als müsste das Geräusch, mit dem er mehr als dreißig Fuß unter ihm aufkam, bis in den letzten Winkel des Petersdoms zu hören sein, und seine scharfen Sinne registrierten tatsächlich ein ganz sachtes Zittern unter seinen Füßen.
    Ein Sprung wie dieser war selbst für Abu Dun zu viel. Er stürzte,

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