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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wort von dem zu verraten, was du gleich sehen wirst. Nicht unter der schlimmsten Folter und nicht für die größte Belohnung.«
    »Ich schwöre es«, sagte Fernando.
    Das schien Clemens zu genügen, denn er nickte nur abermals knapp und wandte sich dann an Kasim. Der Schmied schlug das Tuch beiseite. Altieri sog die Luft so scharf durch die Zähne ein, dass er ins Husten kam, und Andrej bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Ali heftig zusammenfuhr, als hätte er versehentlich ein Stück glühendes Eisen berührt.
    Eingeschlagen in das fast zwei Jahrtausende alte Stück Tuch lag vor ihnen ein schlichtes Trinkgefäß aus einem Metall, das ein bisschen wie angelaufenes Gold aussah, aber keines war. Es gab keine Edelsteine, keinen himmlischen Glanz und auch keine Engelschöre, die plötzlich aus dem Nichts erschollen, und nicht einmal die Erde oder der Himmel taten sich auf. Es war einfach nur ein schlichter Becher, verbeult und so eingedrückt, dass er vermutlich nicht einmal mehr gerade stehen konnte, und aus dessen Rand ein vielleicht daumennagelgroßes Stück herausgebrochen war.
    Andrej wusste trotzdem sofort, was er sah, jenseits allen Zweifels, genau wie jeder andere hier. Es gab Wahrheiten, die brauchten keine Erklärungen und keinen Beweis.
    Neben ihm sank Fernando auf die Knie und bekreuzigte sich, immer und immer wieder. Auch Altieri ließ sich zu Boden sinken, schlug das Kreuzzeichen vor Stirn und Brust und begann nun laut und auf Lateinisch zu beten.
    Andrej starrte den Becher an und wartete darauf, dass … etwas geschah, doch die Zeit lief einfach weiter. Nur Augenblicke oder auch Stunden später hörte Altieri endlich auf, lateinische Worte von sich zu geben, bekreuzigte sich noch einmal und sah dann zu Clemens hoch, ohne sich aus seiner knienden Gebetsposition zu erheben. Dann faltete er wieder die Hände unter dem Kinn. »Wie lange …?«, stammelte er.
    »Seit Hugo von Payens und die anderen Ritter ihn vor über fünfhundert Jahren in Jerusalem gefunden und hierhergebracht haben«, sagte Clemens.
    »Er war … all die Jahre über … über hier?«, stammelte Altieri. Seine Augen schienen vor Unglauben und Entsetzen schier aus den Höhlen zu quellen, sein Gesicht hatte jedes bisschen Farbe verloren.
    »Nein«, sagte Clemens bitter. »Er war an einem sichereren Ort verwahrt. Das Geheimnis wurde von einem Papst an den nächsten weitergegeben, und es ist stets nur ihm selbst und seinem Kammerdiener und Sekretär bekannt. So war es von Anfang an, und so sollte es auch bleiben, solange dieser Ort besteht.«
    »Er war … all die Zeit über … hier?«, murmelte Altieri noch einmal, als hätte er nichts gehört. Wahrscheinlich war es auch so. »All die Jahrhunderte? Er war
die ganze Zeit über hier? In Rom?«
    Clemens nickte sehr ernst. »Und es gibt einen Grund dafür, Bruder.«
    »Aber … aber all diese Zeit … all die Leben, die verloren gingen, während so viele nach ihm gesucht haben … all die Gebete und vergeblichen Hoffnungen … all dieses unendliche Leid …
Wie … wie konntet Ihr uns das antun?«
Den letzten Satz hätte er geschrien, hätte er noch die Kraft dafür gehabt, aber seine Stimme brach fast, und er hatte offenkundig Mühe, sich aufrecht auf den Knien zu halten.
    »Weil alles andere noch viel schlimmer gewesen wäre«, antwortete Clemens leise. »Ich habe mich versündigt, auf schreckliche Weise.«
    »Was wollt Ihr damit sagen?«, fragte Altieri, doch Clemens fuhr mit leiser, rauer Stimme, den Blick fest auf den Becher gerichtet, fort: »Er ist nicht das, wofür wir alle ihn gehalten haben, Bruder. Das war er nie. Die Templer, die unsere Vorgänger als Ketzer denunziert und mit all ihrer Macht verfolgt und ausgemerzt haben, wussten das. Sie haben ihn an einem Ort versteckt, an dem er vor dem Zugriff der Menschen sicher war und keinen Schaden anrichten konnte, aber ich …«
    »Was … was soll das heißen?«, krächzte Altieri. »
Was tut Ihr uns an?«
    Clemens schwieg einen Moment, der sich zur Endlosigkeit dehnte, dann bedeutete er dem Assassinen mit einem Nicken, Ayla herzubringen. Andrej musste sich mit aller Macht beherrschen, um nicht aufzuspringen und ihn kurzerhand niederzuschlagen, als er sah, wie sich das Mädchen gegen seine Berührung sträubte und er seinen Widerstand grob brach. Wenn dieser Kerl ihr wehtat, dann würde er ihn umbringen, und wenn ihm ein Dutzend Päpste zugleich dabei zusah.
    Aber dann, nachdem sie einen kurzen, für Andrej undeutbaren Blick mit Clemens

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