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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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angetan. Es war die beiläufige Schnelligkeit, mit der das Leben aus dem bedauernswerten Mann herausgerissen wurde, die ihn bis ins Mark erschütterte.
    »Zurück!«, brüllte Abu Dun. »Kommt ihm nicht nahe!« Er versuchte, das Tor aufzureißen und hinauszustürzen, drückte es in seiner Hast aber in die falsche Richtung, wodurch er eine weitere, kostbare halbe Sekunde verlor.
    Es wäre ohnehin zu spät gewesen. Die meisten Soldaten waren entsetzt vor der grauenhaften Gestalt zurückgewichen, doch für einen von ihnen kam jede Rettung zu spät. Eben noch träge und scheinbar kaum in der Lage, sich auf eigenen Beinen zu halten, fuhr die grässliche Gestalt plötzlich mit übermenschlicher Schnelligkeit herum, packte den Gardisten neben sich und grub ihm die Zähne so tief in die Schulter, dass das Blut spritzte. Brüllend vor Schmerz und Todesangst versuchte der Mann sich loszureißen und fiel schwer auf den Rücken, als der Untote ihn ebenso plötzlich losließ, wie er ihn gepackt hatte, um mit aufgerissenem blutigem Maul nach einem zweiten Mann zu schnappen. Instinktiv warf der Soldat den Kopf zurück und rammte dem Angreifer die flache Hand ins Gesicht, um ihn wegzustoßen. Die Kiefer des Untoten schnappten zu und trennten ihm den kleinen Finger und den Ringfinger dicht über der Handfläche ab. Schreiend torkelte der verwundete Soldat zurück und fiel auf die Knie, die verstümmelte Hand an den Leib gepresst. Endlich war auch Abu Dun heran, schwang seinen gewaltigen Krummsäbel und enthauptete den Toten, der sich in diesem Augenblick schon auf sein nächstes Opfer stürzen wollte. Noch aus derselben Bewegung heraus tötete er auch den Gardisten, der in die Schulter gebissen worden war, indem er ihm den Schädel spaltete, doch als er sich dem neben ihm knienden Mann zuwenden wollte, vertrat ihm der Hauptmann den Weg und fing den Säbel mit seiner eigenen Klinge ab. Funken sprühten, und die Wucht des Hiebes schlug dem Mann die Waffe aus der Hand und ließ ihn mehrere Schritte rückwärtsstolpern und dann stürzen.
    Aber der Schaden war einmal angerichtet, und nun reichten nicht einmal mehr Abu Duns übermenschlich schnelle Bewegungen, um das Schlimmste zu verhindern. Schnaubend vor Wut wirbelte er herum und ließ seinen Säbel niedersausen, doch der Verwundete hatte seine Chance begriffen und war bereits aufgesprungen, sodass die Klinge nur Funken aus dem Boden schlug. Vom Schwung seiner eigenen Bewegung nach vorne gerissen, kämpfte Abu Dun um sein Gleichgewicht, und als er es wiedergefunden hatte, war der Soldat bereits mit gewaltigen Sätzen in der Dunkelheit verschwunden. Abu Dun machte zwei nicht minder gewaltige Schritte hinter ihm her, blieb dann aber abrupt wieder stehen und streckte den Arm aus, als sich ihm zwei Gardisten anschließen wollten. Die Dunkelheit und Leere der gewaltigen Halle hatten den Mann längst verschluckt, und vermutlich, dachte Andrej bitter, war er auch schon gar kein
Mann
mehr, sondern ein Geschöpf, das keinen Namen hatte und auch keinen verdiente.
    »Zurück!«, befahl Abu Dun wieder. »Und haltet die Augen auf, wenn er zurückkommt! Er darf euch nicht berühren, unter keinen Umständen! Ihr müsst ihn enthaupten, das ist die einzige Möglichkeit, um …« Er brach ab, um mit zusammengezogenen Augenbrauen auf die Spitze der Hellebarde zu blicken, mit der der Hauptmann auf seine Kehle zielte. »Du wirst mir jetzt sagen, was hier geschieht, Sarazene!«, zischte der Gardist. »Was ist das für eine Teufelei? Wer seid ihr? Sendboten der Hölle?«
    »Ich wünschte, es wäre so einfach, mein Freund«, sagte eine sanfte Stimme hinter ihnen.
    Der Mann zischte eine unverständliche Antwort und drehte mit einem Ruck den Kopf – und riss mit einem schon fast komischen Glucksen die Augen auf, als er die Gestalt erblickte, die hinter Andrej aus dem Tor getreten war.
    »Diese Männer sind nicht Eure Feinde, Hauptmann«, fuhr Clemens in leisem, bitterem Ton fort, »und es ist auch kein Teufelswerk, auch wenn es Euch so vorkommen muss. Ich fürchte, was hier geschieht, das ist ganz allein meine Schuld.«
    Der Gardist starrte den tot geglaubten Papst mit einem Ausdruck an, für den das Wort
Entsetzen
nicht mehr ausreichte. Er merkte nicht, wie Abu Dun die Hand hob und die Hellebarde mit nur einer Fingerspitze ein Stück zur Seite schob, nicht einmal, wie er kurz darauf nach der Waffe griff und sie ihm entwand. Rings um ihn herum sanken Männer auf die Knie oder bekreuzigten sich.
    Clemens

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