Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
bedeutete ihnen, wieder aufzustehen, und trat ganz aus dem Tor heraus. Niemand erhob sich, aber ein Mann begann ein Gebet zu stammeln, und ein anderer Gardist bekreuzigte sich, was eine abermalige regelrechte Kettenreaktion derselben Bewegung zur Folge hatte.
    »Sie müssen sich vorkommen, als wäre schon Ostern«, feixte Abu Dun. Niemand beachtete ihn.
    »Steht auf, meine Kinder«, sagte Clemens. »Es ist kein Wunder, so wenig wie das, was hier geschieht, ein Werk des Teufels oder der Hölle ist.« Er winkte den Hauptmann zu sich. »Begleitet mich, Fernando. Und du auch, Andrej. Ihr anderen wartet hier. Tut, was Abu Dun euch sagt.«
    Der neue unfreiwillige Kommandant der Gardisten sah aus, als wäre er wenig begeistert von dieser plötzlichen Beförderung, doch Clemens gab ihm keine Gelegenheit zu protestieren, sondern stürmte sofort zurück, so eilig, dass Andrej es für besser befand, ihm zu folgen. Die Assassinen – die ebenso wenig Assassinen waren wie ihr Herr jemals der Alte vom Berge gewesen war – machten ihnen respektvoll Platz und schlossen sich hinter Andrej und Fernando zu einer undurchdringlichen Mauer aus Entschlossenheit und scharfem Eisen. Ein unbehagliches Gefühl ergriff von Andrej Besitz.
    Etwas geschah. Das Düstere, das er vom ersten Moment an diesem Ort gespürt hatte, begann zu erwachen. Es würde kein gutes Ende nehmen, das wusste er plötzlich.
    Sein erster Blick galt Ayla, die mittlerweile bis in den entferntesten Winkel der Halle zurückgewichen war und noch immer von dem Assassinen gehalten wurde, jetzt mit beiden Händen. Er war angespannt, das spürte Andrej, aber da war noch mehr. Erwartung. Oder Furcht?
    Kasim und Ali hatten die Truhe mittlerweile nicht nur geöffnet, sondern regelrecht auseinandergenommen, sodass Andrej einen Blick auf das verwirrende System aus Hebeln und Stangen und Zahnrädern in ihrem Inneren werfen konnte. Und die Spitzen und Klingen, die ein Öffnen der Lade für jeden Uneingeweihten zu einer bösen Überraschung machen würden.
    Kasim gehörte offensichtlich nicht dazu. Er hatte der Truhe einen kleinen, nachlässig in einen schmuddeligen Lappen gewickelten Gegenstand entnommen. Die ursprüngliche Farbe des Tuches war nicht einmal mehr zu erraten, aber man sah ihm an, dass es alt sein musste, unvorstellbar alt. Während er es betrachtete, war Andrej, als würde er von unsichtbaren Fingern berührt, die aus nichts anderem als vergangener Zeit bestanden.
    Und er war offenbar nicht der Einzige, dem es so erging. Auch Fernandos Schritte wurden immer langsamer, und Altieri und die kleine Schar der Gardisten waren so weit es ging vor ihnen zurückgewichen. Andrej bemerkte, dass sie nicht mehr gefesselt waren. Der Ausdruck auf Altieris Gesicht hatte sich geändert, als hätte er etwas gesehen, das seine Welt bis in die Grundfesten erschüttert hatte. Der Kardinal stand wie zur sprichwörtlichen Salzsäule erstarrt da. Andrej war nicht einmal sicher, ob er noch atmete. Nur seine Lippen bewegten sich ununterbrochen und lautlos wie in einem verzweifelten stummen Gebet.
    »Was du jetzt hier siehst, darf diesen Raum niemals verlassen«, wandte sich Clemens an Fernando. »Ganz gleich, was du siehst oder erlebst. Gibst du mir dein Wort?«
    Fernando sah gequält zu Altieri hin, begriff, dass dieser seine Anwesenheit wohl nicht einmal registrierte, und zwang sich zu einem abgehackten Nicken.
    »Da ist noch mehr, worum ich dich bitten muss, mein Freund«, fuhr Clemens fort.
    »Was immer Ihr befehlt, Herr«, antwortete der Gardist, doch Clemens schüttelte sofort heftig den Kopf.
    »Ich habe dir nichts mehr zu befehlen, mein Sohn«, sagte er und deutete auf Altieri. »Das da ist dein Herr, und der einzige Mensch auf der Welt, der dir etwas befehlen darf. Ich kann dich nur bitten.«
    »Was immer Ihr wünscht«, sagte Fernando. Es war Clemens anzusehen, dass auch das nicht unbedingt das war, was er hatte hören wollen, aber er beließ es bei einem traurigen Nicken. Dann wies er auf den Gang hinter ihnen. »Du vertraust deinen Männern?«
    Fernando deutete ein Kopfnicken an. Clemens fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen und fuhr mit veränderter und leiserer Stimme fort: »Dennoch muss ich dich vielleicht bitten, ihre Leben zu opfern.«
    »Warum?«, fragte Fernando nur.
    »Weil niemand auf der Welt erfahren darf, was hier geschehen ist«, antwortete Clemens. »Ich möchte, dass du bei Gott und deiner unsterblichen Seele schwörst, niemals auch nur ein einziges

Weitere Kostenlose Bücher