Nekropole (German Edition)
»Ich baue Uhrwerke. Und meine Schlösser sind weit über die Grenzen der Stadt hinweg dafür berühmt, dass nicht einmal die talentiertesten Einbrecher sie öffnen können. Aber immer nur Spieluhren und Schlösser und nautische Instrumente zu bauen wird auf die Dauer doch ein bisschen eintönig. Ich freue mich über solche Herausforderungen.«
»Hauptsache, du kannst bis fünf zählen«, knurrte Abu Dun.
Cosimo machte ein fragendes Gesicht und nickte dann, bevor Andrej zu einer Erklärung ansetzen konnte. »Ach das, ja. Don Corleanis hat mir davon berichtet, dass du … nicht ganz zufrieden warst.«
»Nicht ganz zufrieden?«,
ächzte Abu Dun. »Ganz zu schweigen von dem, was er danach getan hat, hatte meine erste Hand
fünf
Finger, wenn ich mich nicht ganz täusche!«
»Das musst du meinem Schüler nachsehen«, antwortete Cosimo. »In der Kürze der Zeit und unter den gegebenen Umständen hätte ich es wohl auch nicht viel besser machen können.«
Seinem Schüler? Interessant.
»Weil du nicht genügend Zahnräder dabei gehabt hättest?«, giftete Abu Dun.
»Vier Finger oder drei, das ist ein gewaltiger Unterschied«, bestätigte Cosimo und versetzte Abu Dun noch einen herzhaften Schlag mit der flachen Hand auf den Oberarm, bevor er sich abwandte, um zu einer großen, mit schweren eisernen Bändern beschlagenen Truhe zu gehen. Er sprach weiter, während er sich ächzend nach vorne beugte und sichtliche Mühe hatte, den schweren Deckel zu öffnen.
»Es ist nicht nur ein Fünftel weniger Arbeit, musst du wissen. Vier Finger auf demselben Platz zu bauen wie drei, das ist deutlich schwieriger. Die einzelnen Teile müssen ja entsprechend kleiner sein, wie du dir gewiss vorstellen kannst.« Er hatte den Deckel hochgeklappt, hielt ihn mit der linken Hand zurück und griff mit der anderen in die Truhe, um scheppernd und klirrend darin zu graben. Automatisch wollte Andrej aufstehen und zu ihm gehen, um ihm zu helfen, doch er rührte keinen Finger. Plötzlich war da ein kleiner boshafter Teil in ihm, der regelrecht darauf wartete, dass ihm der Truhendeckel auf den Hinterkopf fiel. Hastig verscheuchte er den Gedanken. Oder versuchte es wenigstens.
»Dazu kommt«, fuhr Cosimo fort, »dass mir Don Corleanis gesagt hat, du wärst ein Krieger, also ein Mann des Schwertes.« Dumpf drang seine Stimme aus der Truhe herauf, als spräche er am Grunde eines mit Eisen gefüllten Brunnenschachts. »Das heißt, dass du eine sehr starke Hand brauchst. Ich meine, es wäre doch einigermaßen übel, wenn du mitten im Kampf einen Finger verlieren würdest oder gar die ganze Hand, weil das Material nicht stark genug war, oder? Ah, da ist es ja!«
Mit diesen triumphierenden Worten richtete er sich auf, ließ den Deckel los, der mit einem so gewaltigen Knall zuschlug, dass er ihm glattweg die Finger abgequetscht hätte, hätte er sie nicht rechtzeitig weggezogen, und kam zum Tisch zurück, ein Knäuel aus Ketten, ledernen Schnallen, Manschetten und Ösen schwenkend. »Ich wusste, dass ich es aufgehoben habe!«
»Dass du
was
aufgehoben hast?«, fragte Abu Dun misstrauisch, das seltsame Gebilde musternd wie ein besonders perfides Folterinstrument. Vielleicht war es das ja auch.
»Was hast du da?«, fragte Abu Dun noch einmal, als er keine Antwort bekam, sondern Cosimo nun hinter ihn trat und mit den Ketten und Ösen zu klirren begann.
»Überleg dir ganz genau, was ich mit all diesen Ketten und Eisenringen anfangen könnte, wenn mir nicht gefällt, was du damit tust«, sagte Abu Dun.
»Nur keine Sorge«, sagte Cosimo fröhlich. »Ich bin ganz sicher, dass es dir gefallen wird. Ich habe kaum unzufriedene Kunden.«
»Außer dem, für den du dieses Folterinstrument angefertigt hast, nehme ich an. Hast du ihn damit erwürgt?«
»Er ist gestorben, bevor er die bestellte Ware abholen konnte«, antwortete Cosimo gekränkt. Er begann, eine breite Ledermanschette mit metallenen Anhängseln an Abu Duns Oberarm zu befestigen. »Ich habe das sehr bedauert, denn ich arbeite nicht nur für schnödes Geld, sondern vor allem, um zu sehen, wie sich meine Arbeit bewährt und ihre Besitzer zufriedenstellt. Ich wusste, dass eines Tages jemand kommt, der es gebrauchen kann.«
»Der
was
gebrauchen kann?« Abu Dun wurde unruhig.
Ungerührt befestigte Cosimo eine zweite Manschette an seinem Unterarm. »Und du bist nicht der einzige Mann auf der Welt, der im Kampf eine Hand verliert, mein Freund. Wenn auch vielleicht der Einzige, der mit einer solchen
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