Nekropole (German Edition)
paar Tage, um sie zu reparieren, aber dann …«
»Das meine ich nicht«, sagte Abu Dun, mit einer Stimme, die plötzlich gefährlich leise klang.
»Sondern?«, fragte Cosimo.
»Das ist ein wunderbares Stück Handwerkskunst«, sagte Abu Dun. »Ich habe nur eine einzige Frage.«
»Und … welche?«, fragte Cosimo nervös.
»Sie ist ganz simpel«, antwortete Abu Dun und hob beide Arme.
»Warum zum Teufel habe ich jetzt zwei linke Hände?!«
Kapitel 7
Als sie sich dem Gasthaus wieder näherten, sagte Andrej: »Du hättest ihm nicht gleich die halbe Hand zerquetschen müssen.« Sie mussten länger in Cosimos Werkstatt gewesen sein, als er geglaubt hatte, denn die Sonne war inzwischen untergegangen. Doch dunkel war es dennoch nicht: Aus dem matten Rot am Himmel war ein düster glühender Dom geworden, der sich über dem Stadtzentrum auf der anderen Seite des Tiber erhob. Nahezu hinter jedem Fenster, an dem sie vorbeigekommen waren, brannte Licht, und die Menschen, denen sie unterwegs begegneten, trugen Laternen oder Fackeln in der Hand, der eine oder andere sogar eine brennende Kerze. Don Corleanis hatte ihnen gesagt, dass die ganze Stadt um den verstorbenen Papst trauerte, und Andrej fragte sich, ob die vielen Lichter die äußere Dunkelheit aus ihren Seelen fernhalten sollten.
»Wenn ich ihm die Hand hätte zerquetschen wollen, dann hätte ich es getan«, stellte Abu Dun fest. »Nicht, dass es mir nicht eine gewisse Befriedigung verschafft hätte, es getan zu haben, hätte ich es getan, aber ich habe es nun einmal nicht getan, also empfinde ich auch keine Zufriedenheit, muss mir aber deine Vorwürfe anhören, und …«
Abu Dun sprach noch weiter, aber Andrej hörte gar nicht mehr hin, sondern schloss mit einem ergebenen Seufzen die Augen. Warum hatte er auch gefragt?
»… die mangelhafte Konstruktion seines angeblichen Neffen«, schloss Abu Dun nach einem, wie es sich anfühlte, stundenlangen Vortrag, der aber in Wahrheit wohl nur wenige Minuten gedauert hatte. »So gesehen bleibt es gewissermaßen in der Familie. Wenn du also unbedingt jemandem Vorwürfe machen willst, dann Don Schwabbelbacke und seiner ehrenwerten Familie, und nicht deinem armen Gehilfen … auch wenn der es gewohnt ist.«
Andrej hütete sich, darauf zu antworten, sondern beschleunigte seine Schritte nur um eine Winzigkeit, als die Abzweigung in Sicht kam, hinter der er das Gasthaus wusste. Abu Dun beschwerte sich nicht einmal ganz zu Unrecht. Wenn er ehrlich war, galt sein Zorn weder Abu Dun noch Don Corleanis, sondern sich selbst. Er hatte den Schmerz gefühlt, den der fette Schmuggler empfunden hatte, als sich die stählernen Finger um seine Hand schlossen, und seine jäh auflodernde Angst gespürt, und er hatte beides genossen. Tatsache war, dass ein Teil von ihm nur darauf gewartet hatte, dass Abu Dun ihm die Hand zermalmte, damit er seine Schreie und das Brechen von Knochen hörte und den Geruch von Blut roch.
In diesem Moment hätte er keinen Finger gerührt, um Don Corleanis zu helfen, und diese Erkenntnis sollte ihn erschrecken.
Aber sie tat es nicht, und das war vielleicht das Schlimmste.
Nein. Das Schlimmste war, gestand Andrej sich ein, dass er enttäuscht gewesen war, als Abu Dun seine Hand schließlich freigegeben und es dabei belassen hatte, Corleanis lediglich Schmerz zuzufügen, statt ihn – buchstäblich – mit einem Schulterzucken zu verstümmeln.
»Du musst wirklich allmählich lernen, dich zu beherrschen«, sagte er lahm und eigentlich nur, um überhaupt etwas zu sagen.
Abu Dun musterte ihn zur Antwort nur mit einem Stirnrunzeln, murmelte etwas in seiner Muttersprache und hob seine neue künstliche Hand vor die Augen. Ein Schulterzucken ließ die Finger zu einer stählernen Faust zusammenschnappen, ein zweites wieder auseinander.
Abu Dun stülpte die Unterlippe vor, zuckte noch einmal mit den Achseln, und die Faust schloss sich klickend und scharrend wieder – bis auf den Mittelfinger, der ausgestreckt stehenblieb. Andrej lachte. Abu Dun sah ihn finster an.
Don Corleanis, der zwei Schritte vorausging, den schmerzenden Arm an den Leib gepresst, sagte: »Es wird ein paar Tage dauern, bis du dich daran gewöhnt hast. Aber wenn du es einmal kannst, dann ist sie besser als deine richtige Hand … falls du es schaffst, die Mechanik zu beherrschen, heißt das.«
Abu Dun funkelte ihn an und starrte dann auf seinen ausgestreckten Mittelfinger, als dächte er über verschiedene interessante Möglichkeiten nach, was er
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