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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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tun, als erschrocken den Kopf in den Nacken zu legen und die Zinnenkrone über der hundert Fuß hohen Mauer über ihnen mit Blicken abzusuchen und zugleich mit allen Sinnen zu lauschen. Dahinter rührte sich nichts, und auch die schmalen Schießschartenfenster blieben leer.
    Ali ließ den toten Soldaten lautlos in eine Nische gleiten, wo er zumindest auf den ersten Blick nicht sofort entdeckt werden würde. Drei der vier Männer, die die zweite Gruppe bildeten, gesellten sich lautlos zu ihnen, während der Vierte zurückblieb und mit dem Schatten einer gewaltigen Engelsstatue verschmolz, wohl um dafür zu sorgen, dass niemand zu neugierig wurde und dem Tor zu nahe kam.
    Andrej wartete darauf, dass Ali auch den zweiten Toten versteckte, doch stattdessen trat er an die schmale Schlupftür heran, die in das große Tor eingelassen war, und schlug mit dem Griff seines Dolches mehrmals und wuchtig dagegen.
    Nach der fast vollkommenen Lautlosigkeit, mit der der Angriff vonstattengegangen war, kamen die Schläge Andrej unnatürlich laut vor. Das Dröhnen musste noch auf der anderen Seite des Flusses zu hören sein. Nun erschien ein rötlich flackerndes Licht hinter einem der schmalen Fenster über ihnen, schwere Schritte näherten sich der anderen Seite der Tür, und eine zwar kaum handbreite vergitterte Klappe wurde geöffnet, damit ein Augenpaar misstrauisch zu ihnen herausspähen konnte.
    »Was wollt ihr hier?«, fragte eine barsche Stimme. »Hier ist …« Der Mann brach genauso plötzlich und mitten im Satz ab wie sein Kamerad gerade, und seine Augen weiteten sich genauso ungläubig, als er das Gesicht seines Gegenübers erkannte.
    »Ihr?«, murmelte er fassungslos. »Aber …?«
    »Mach auf«, unterbrach ihn Ali. »Auf der Stelle!«
    »Ich weiß nicht, ob … ich das … das darf«, stammelte der Soldat. »Ihr wart … ich meine, wir … wir erwarten gleich …«
    »Ich weiß, wen ihr erwartet«, unterbrach ihn Ali scharf, »und auch, wer bereits hier ist. Deswegen bin ich gekommen. Also mach auf. Oder muss ich dich wirklich erst daran erinnern, wer ich bin und welche Zeit wir schreiben?«
    Andrej verstand nicht wirklich, was er damit meinte, der Soldat hinter der Klappe dafür aber offensichtlich umso besser, denn er wurde sogar noch einmal blasser. Andrej konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn zu arbeiten begann und wie schwer es ihm fiel, schließlich eine Entscheidung zu treffen. Und wie wenig sie ihm gefiel.
    »Ganz wie Ihr befehlt, Herr«, sagte er. »Bitte tretet zurück.«
    Herr?
, dachte Andrej.
Interessant
. Eine weitere Frage auf einer immer länger werdenden Liste von Fragen, die er dem angeblichen Assassinen-Hauptmann stellen musste. Sie stand sogar ziemlich weit oben.
    Ali bedeutete Andrej mit einer stummen Geste, sich außer Sicht zu halten, und machte gehorsam einen halben Schritt zurück. Andrej hörte das Geräusch eines schweren Riegels und die Schritte eines weiteren Mannes, die sich der Tür näherten. Es scharrte laut, dann schwang die Tür quietschend nach außen, und Alis Dolch kostete zum zweiten Mal binnen weniger Augenblicke Blut. Der Mann stolperte mit einem erstickten Gurgeln zurück und schlug die Hände gegen die Kehle, Ali setzte ihm nach und versuchte, ihn aufzufangen, doch diesmal war er nicht schnell genug. Seine freie Hand krallte sich in die Schulter des Sterbenden. Der Stoff riss, der Mann stolperte weiter zurück und prallte gegen einen zweiten Mann in einer blau und gelb gestreiften Uniform und stieß ihn halb von den Füßen, als er zusammenbrach.
    Lautlos wie ein Gespenst glitt Ali durch die Tür, war mit einem einzigen Schritt über den beiden Männern und tat etwas, das Andrej nicht genau erkennen konnte. Auch der zweite Gardist sank zu Boden und starb.
    Der Blutgeruch war fast mehr, als Andrej ertrug. Gier erwachte in ihm, fegte wie eine lautlose Explosion seine Vernunft und jedwedes logische Denken beiseite und wollte ihn dazu bringen, sich …
    Er wagte es nicht einmal, den Gedanken zu Ende zu denken, denn das allein hätte vielleicht schon gereicht, ihn Wahrheit werden zu lassen. Rasch und peinlich darauf bedacht, die beiden Toten –
das Blut
– nicht anzusehen folgte er den Männern und schloss die Tür hinter sich. Ganz automatisch wollte er den Riegel wieder vorlegen, doch Ali schüttelte nur rasch den Kopf und wandte sich mit einer befehlenden Geste an die beiden zuletzt eingetretenen Männer.
    »Ihr bleibt hier. Deckt unseren Rücken.« Der blutige Dolch in

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