Nekropole (German Edition)
Kraft wich aus seinem Körper. Er fiel, schaffte es irgendwie noch, sich im Wams seines Gegenübers festzukrallen und prallte hart gegen die Wand, als der Mann die Klinge aus ihm herausriss und ihm mit der anderen Hand einen harten Stoß versetzte.
Sein Blickfeld trübte sich. Alles wurde unscharf, er sah keine Farben mehr und hörte ein lauter werdendes rhythmisches Rauschen, sonderbarerweise aber nicht im Takt seines hämmernden Pulsschlages. Tief in ihm tat sich ein Abgrund auf, ein schwarzer Schlund, der ihn verschlingen würde, um ihn dieses Mal nicht wieder auszuspeien.
Er starb. Und dieses Mal endgültig und wirklich. Seine besonderen Kräfte ließen ihn im Stich, und er wusste nicht einmal, warum. Halb gegen die Wand gelehnt brach er in die Knie, unfähig, auch nur zu atmen, die blutige Hand noch immer ins Wams des Gardisten gekrallt, als könne er seinen Mörder auf diese Weise noch mit in den saugenden Schlund reißen. Der Soldat schlug ihm ins Gesicht, kam auch auf diese Weise nicht frei und holte noch einmal mit seinem Dolch aus, um ihm die Waffe jetzt in die Kehle zu stoßen.
Dieses Mal würde sie ihn töten, das wusste er. Da war nichts mehr, das dem grimmigen Schnitter Einhalt gebieten konnte. Verzweifelt versuchte er, den rechten Arm hochzureißen, um den tödlichen Stich abzuwehren, aber es gelang ihm nicht einmal, die Hand zu bewegen. Die Klinge zielte aufwärts auf das weiche Fleisch unter seinem Kinn, als eine Schwertspitze in einem Regen aus Blut und Knochensplittern aus der Brust des Mannes hervorbrach. Statt zuzustoßen, ließ er den Dolch fallen, seine Augen wurden weit und füllten sich mit Dunkelheit, wie ein Teich aus klarem Wasser, in den schwarze Farbe tropft, und auch in Andrej begann sich eine Düsternis auszubreiten, der er sich nicht mehr widersetzen wollte.
Das Schwert wurde zurückgezogen, und sie brachen aneinandergeklammert in die Knie, Andrejs linke Hand noch immer in die Schulter des Mannes gekrallt, über dessen Lippen jetzt zähes Blut quoll und in Andrejs Gesicht tropfte, als er ihn zusammenbrechend unter sich begrub.
Nun sah er gar keine Farben mehr, auch das Blut, das ihm in die Augen lief, sein Gesicht besudelte und in seinen Mund tropfte, war schwarz. Er hatte Mühe, die Gestalt zu erkennen, die den Soldaten niedergestochen hatte.
Mit einem Tritt schleuderte Ali den sterbenden Mann von ihm herunter. »Ja, jetzt sehe ich, warum ich dich mitgenommen habe, unbesiegbarer Krieger«, sagte er verächtlich, bevor er herumfuhr und sich dem zweiten Mann neben Hasan zuwandte.
Andrej sah nicht mehr, was er tat. Rings um ihn herum tobte der Kampf weiter, aber es gelang ihm nicht einmal mehr, Freund oder Feind auseinanderzuhalten oder überhaupt zu begreifen, was geschah. Alles wurde dunkel und warm und schwer, und er schmeckte etwas gleichermaßen Salziges wie Süßes auf seinen Lippen.
Seine Zunge bewegte sich ohne sein Zutun, tastete nach jedem einzelnen kostbaren Tropfen und sog die verlockende Süße auf, und neue Kraft durchströmte ihn. Nicht viel. Nicht annähernd die Explosion unwiderstehlicher Stärke, auf die er wartete und die er gewohnt war, aber genug, um die Schwärze zurückzudrängen und den erlöschenden Funken am Grunde seiner Seele noch einmal zu einer Flamme zu entfachen. Und mehr brauchte er nicht.
Die Finger der linken Hand noch immer in die Schulter des sterbenden Soldaten gegraben wälzte er sich stöhnend herum, brach über dem Mann zusammen und presste das Gesicht gegen seinen Hals. Seine Zähne suchten die Halsschlagader und zerrissen sie, und er trank und trank und trank.
Es war nicht genug. Der Soldat war dem Tod so nahe, wie es ein Mensch nur sein konnte, der größte Teil des kostbaren Blutes vergeudet und in einer nutzlosen Lache auf dem Boden verschüttet, doch Andrej saugte auch noch den letzten Tropfen aus ihm heraus, griff auf einer anderen Ebene tief in ihn hinein und entriss ihm auch noch den letzten Rest erlöschenden Lebens, um ihn der glühenden Schwärze in seinem Inneren hinzuzufügen.
Dann war es vorbei. Seine Zähne rissen nur noch an totem Fleisch, und statt lebensspendendem Rot floss nun Fäulnis in seinen Mund. Aber die schreckliche Wunde in seiner Schulter hatte aufgehört zu bluten, und auch der Schmerz begann zu verebben, sodass er mit einem Male wieder die Kraft hatte aufzuspringen und sich nach einem neuen Opfer umzusehen. Stattdessen begegnete er Hasans Blick, und was er in seinen Augen las, das ließ ihn für einen
Weitere Kostenlose Bücher