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Nekropole (German Edition)

Nekropole (German Edition)

Titel: Nekropole (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Moment erstarren.
    Der vermeintliche Alte vom Berge war gestürzt und presste mit fest zusammengebissenen Zähnen den Arm an den Leib. Ali stand breitbeinig über ihm und kämpfte gegen gleich drei Gardisten, die ihn mit ihren gefährlichen Hellebarden attackierten, ein weiterer Gardist war quer über Hasans Beinen zusammengebrochen und krümmte sich vor Schmerz.
    Und doch schien Hasan von alledem nichts zu bemerken. Er starrte Andrej an, und in seinen Augen stand blankes Entsetzen geschrieben.
    Er wusste, was er getan hatte. Hasans Augen sahen nicht nur das Blut, das sein Gesicht in eine rot triefende Maske verwandelte und seine Zähne färbte oder die tiefe Wunde in seiner Schulter, an deren Grund es zu brodeln begann wie in einem Krater mit kochendem Teer, während sie sich schloss. Ihr Blick ging tiefer, sah hinter sein Gesicht und erkannte, was er wirklich getan hatte und vielleicht auch, wozu er noch imstande war, wenn er das Ungeheuer in seiner Seele entfesselte. Und zum allerersten Mal, seit Andrej diesen geheimnisvollen Mann kennengelernt hatte, las er Angst in seinen Augen. Angst vor dem, was er selbst heraufbeschworen hatte und dessen er nun vielleicht nicht mehr Herr wurde. Angst vor ihm.
    Der Moment verging, und der Krieger in ihm wurde sich der Tatsache bewusst, dass es noch nicht vorbei war. Mit einem einzigen Schritt war er neben den drei Soldaten, die Ali attackierten, entriss dem Ersten die Hellebarde und schlug den Mann mit dem stumpfen Ende seiner eigenen Waffe nieder. Den Zweiten packte er, riss ihn mit beiden Armen hoch über den Kopf und warf ihn mit solcher Gewalt gegen die Wand, dass sein Rückgrat mit einem feuchten Knacken brach. Ali nutzte die Überraschung des dritten Gardisten, um ihm sein Schwert in den Leib zu stoßen, sodass er reglos nach hinten kippte.
    Damit war es praktisch vorbei. Doch Ali und seine Männer hatten einen hohen Preis für diesen Sieg bezahlt. Nur ein einziger Assassine hatte den Kampf halbwegs unversehrt überstanden, alle anderen waren verletzt, und einer rührte sich gar nicht mehr. Als Andrej in ihn hineinlauschte, spürte er auch kein Leben mehr. Andrej war anscheinend nicht der Einzige, dessen vermeintliche Unbesiegbarkeit einen gehörigen Kratzer abbekommen hatte.
    Ali ließ sich neben Hasan auf die Knie hinab und streckte die Hand aus, um ihm aufzuhelfen, doch der schüttelte fast erschrocken den Kopf und stemmte sich aus eigener Kraft hoch, auch wenn ihm anzusehen war, wie schwer es ihm fiel.
    Ali funkelte Andrej an, als wäre auch das ganz allein seine Schuld, machte aber zwei respektvolle Schritte zurück.
    »Wie geht es Euch, Herr? Seid Ihr verletzt?«
    »Schlecht und ja«, antwortete Hasan. »Aber das hat Zeit bis später. Wir müssen hier weg. Sie werden Alarm schlagen und zurückkommen.«
    »Wo ist Ayla?«, fragte Andrej.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Hasan betrübt. »Wir wurden getrennt, gleich am Anfang.«
    »Ich suche sie.« Ali schob sein Schwert in die Scheide und wandte sich zur Tür, um seinen Worten augenblicklich Taten folgen zu lassen, doch Hasan schüttelte den Kopf.
    »Das geht nicht«, sagte er streng. »Ich verstehe dich, aber …«
    »Sie ist meine Schwester!«
    »… sie werden jeden Augenblick zurückkommen. Wenn wir alle getötet werden oder in Gefangenschaft geraten, dann hilft das Ayla auch nicht.«
    Alis Lippen wurden zu einem blutleeren Strich, und für einen einzelnen Moment war Andrej überzeugt, er würde sich Hasan widersetzen oder wenigstens protestieren. Aber schließlich nickte er nur knapp.
    »Ich weiß, wie schwer das für dich ist, Ali«, fuhr Hasan fort. »Aber sie ist nicht in Gefahr. Niemand wird ihr etwas antun, schon weil sie in meiner Begleitung war.«
    »Ganz wie Ihr befehlt, Eminenz«, sagte Ali. Seine Stimme war nahezu ausdruckslos. Er sah Hasan zwar an, doch es war, als würde er durch ihn hindurchsehen.
    »Nein, mein Freund, ich befehle dir nichts«, antwortete Hasan. »Ich möchte nur, dass du …« Er sprach den Satz nicht zu Ende, sondern sah den hochgewachsenen Araber traurig an und schüttelte dann mit einem Seufzen den Kopf. Mit veränderter Stimme sprach er weiter. »Kümmere dich um deine Männer, Ali, und … die anderen. Wir kommen zurück, so rasch es geht, das verspreche ich dir.«
    »Ich kann sie suchen«, bot sich Andrej an. Und er konnte sie finden, vielleicht als Einziger, auch wenn er ihre Stimme nun nicht mehr hörte.
    »Niemals!«, sagte Ali impulsiv. »Ich gestatte nicht, dass

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