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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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wackelten. Ich ignorierte den dreckigen Blick, den sie mir zuwarf, stand auf und schlug ein Geschirrtuch über Mors Stuhl aus.
    »Gnädige Frau.«
    Mor ließ sich auf den Stuhl sinken und schaute vom einen zum anderen. Ich nahm ihr die Krücken ab und stellte sie an die Wand. Dann ging es los. Wir trugen ihr Frühstück auf und füllten ihre Tasse. Ein Glas Champagner fehlte ebenso wenig wie Rührei nach Art des Sohnes des Hauses, sprich: mit Sojasoße nachbearbeitet. Wenn es unter Mors kulinarischer Würde war, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie ließ es sich schmecken.
    »Ihr seid früh auf«, sagte sie zwischen zwei Gabeln.
    »Wir waren laufen«, sagte ich.
    Nele gab ein kleines Geräusch von sich und starrte angestrengt auf ihren Teller. Mor schob sich eine weitere Gabel in den Mund und musterte uns. Irgendetwas schien ihr Spaß zu machen. Sie schluckte das Ei runter und nickte uns zu.
    »Laufen tut gut, nicht? Ich bin früher auch viel gelaufen, eigentlich so oft, wie es nur irgend ging.«
    Sie lächelte uns unverhohlen an, und mir wurde klar, dass sie uns gehört haben musste. Ihr wissender Blick pumpte mir Blut in die Ohren. Von klein auf hatte ich mir angewöhnt, zu Hause leise zu sein, aber vorhin musste ich irgendwie den Überblick verloren haben. Ich senkte meinen Blick auf meinen Teller, aber Mor wechselte das Thema, sprach über das Wetter und widmete sich dann ihrem Rührei, als sei nichts. Vielleicht war es für sie schräg, ihrem Kind beim Sex zuzuhören. Viele meiner Freunde hatten ihre Eltern schon mal beim Sex ertappt, aber ich hatte Mor noch nichtmal mit einem Mann gesehen und würde es wahrscheinlich auch nie. Wobei … bis vorgestern dachte ich noch, ich sehe Nele nie wieder. Hm.
    »Du bist so still.«
    Ich blickte auf und sah direkt in Mors Augen.
    »Äh … ja, man weiß ja nie.«
    Sie runzelte die Stirn. Bevor ich weiteren Schwachsinn von mir geben konnte, fuhr Rokko draußen vor. Ich küsste Mor, wünschte ihr einen schönen Tag, nahm Neles Hand und ging vor die Tür. Rokko saß hinter dem Lenkrad des GT und trug eine verspiegelte Sonnenbrille sowie volle Uniform. Aus dem offenen Fenster knallte Aerosmith. Nele warf einen Blick zum Wagen und winkte. Rokko zeigte keine Reaktion.
    »Sieht er mich nicht?«
    »Vielleicht sind sie auch innen verspiegelt, so Doppelcoolnessfaktor.«
    Sie lachte nicht. Ich zuckte die Schultern.
    »Nimm’s nicht persönlich, er ist momentan schlecht drauf.«
    »Streit mit Anita?«
    »Mensch, wie kommst du denn darauf ?«
    Sie lächelte.
    »Hier ist wirklich alles beim Alten. Aber schön, dass sie immer noch zusammen sind.«
    »Wären wir auch, wenn du nicht weggerannt wärst.«
    »Ich hab dich nur für das Biest freigegeben.« Sie verzog ihr Gesicht. »Wie konntest du nur …«
    »Jaja, ich sehe es richtig vor mir, wie du in New York auf einer Party in einer Dreißig-Millionen-Dollar-Villa stehst. George Clooney versucht dich gerade klarzumachen, und alles, was du denkst, ist, o Gott, hoffentlich hat der Dorfbulle nicht mit Petra Strawinski geschlafen.«
    »Genau so war es«, lachte sie. »Also fast.«
    Rokko hupte.
    »Ich muss.« Ich küsste sie auf den Mund und schaute ihr aus nächster Nähe in die Augen. »Seh ich dich wieder?«
    Sie knabberte auf ihrer Unterlippe, und ihre Augen funkelten.
    »Denk schon.«
    »Gib mir deine Nummer, ich ruf dich vielleicht mal von der Arbeit aus an.«
    »Ich hab sie vorhin in dein Handy einprogrammiert. Ich erwarte mindestens zehn SMS.«
    Ich gab ihr einen letzten Kuss und wünschte ihr einen schönen Tag. Meine Beine bewegten sich nicht. Wir sahen uns an. Meine Mundwinkel schmerzten. Wenn ich nicht aufpasste, würden sie noch einreißen.
    »Was machen wir hier?«
    »Weiß nicht.«
    »Du bist doch bloß auf der Durchreise.«
    »Ja.«
    »Ist total undurchdacht.«
    »Ja.«
    »Fühlt sich aber ganz gut an.«
    Sie grinste.
    »Ja.«
    Ich grinste ebenfalls.
    »Du hast natürlich Glück, dass ich gerade frei bin.«
    »Du aber auch.«
    »Du viel mehr. Ich hab einen super Ruf hier, alle lieben mich, frag das Biest.«
    »Pah, hör dich mal um, Junge, ich war früher die Königin der Schützenfeste.«
    »Das ist lange her.«
    Sie lächelte schief und funkelte mich an.
    »Es ist ja nicht alles schlecht, was lange her ist.«
    »Stimmt auch wieder.«
    Ich küsste sie noch mal. Als ich sie losließ, hatten sich ihre Wangen gerötet. Himmel, ich konnte sie farbig knutschen.Rokko hupte wieder, diesmal legte er sich voll drauf, der Idiot. Er

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