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Nelson DeMille

Nelson DeMille

Titel: Nelson DeMille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Vermächtnis
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ein schmiedeeiserner Zaun den Stanhope'schen Friedhof vom übrigen Gelände, und die Grabsteine und Mausoleen dort waren natürlich bombastischer - es sei denn, man betrachtete das Grab eines Dienstboten -, und es gab keinen Zweifel daran, dass man sich unter Toten bewegte. Hier hingegen hatte ich das Gefühl, man wäre in die Natur zurückgekehrt. Hier wollte ich sein - mindestens fünfhundert Meter vom nächsten Stanhope entfernt. Vielleicht konnte ich Susan dazu überreden, mit einer Familientradition zu brechen - aber womöglich wurden wir ohnehin alle auf einen öffentlichen Friedhof verbannt.
    An diesem sonnigen Vatertag spazierten zahlreiche Leute über den Friedhof, und ich sah auf vielen Gräbern Blumenbuketts, aber auch amerikanische Flaggen, die neben den Grabsteinen der Veteranen in der Erde steckten.
    »Wir müssen nächste Woche mit einer Flagge für das Grab deines Vaters herkommen«, sagte Susan.
    Ich konnte nur hoffen, dass wir nächste Woche nicht für alle Ewigkeit hierher zurückkehrten. Aber vielleicht sollte ich vorsichtshalber bei der Verwaltung vorbeischauen und eine Parzelle kaufen.
    Wir fanden das Grab von Joseph Whitman Sutter. Wie die meisten anderen hatte es einen kleinen weißen Granitblock, knapp einen Meter hoch, der, wenn man von den eingravierten Lettern einmal absah, eher wie eine niedrige Bank wirkte als wie ein Grabstein.
    Neben seinem Namen und dem Geburts- und Sterbedatum stand dort: Ehemann und Vater, und darunter: In unseren Herzen wirst du ewig leben.
    Rechts von Josephs Grab gab es eine freie Parzelle, die zweifellos für Harriet reserviert war.
    Am Grabstein meines Vaters lag bereits ein Blumenbukett, das vermutlich von meiner Mutter stammte, ungeachtet ihrer Aversion gegen Schnittblumen - aber vielleicht hatte es auch eine heimliche Freundin dorthin gelegt. Das wäre schön. Ich musste Harriet fragen, ob sie heute hier war.
    Während ich das Grab meines Vaters betrachtete, hatte ich gemischte Gefühle. Er war sanft gewesen - zu sanft -, ein liebender Ehemann - fast schon blind ergeben -und ein anständiger, wenn auch etwas distanzierter Vater. In dieser Hinsicht war er ein Produkt seiner Generation und Gesellschaftsschicht, daher konnte man ihm nichts vorwerfen - auch wenn ich es ganz gern gesehen hätte, wenn er etwas liebevoller zu Emily gewesen wäre. Was mich anging, nun ja, wir arbeiteten zusammen, Vater und Sohn, und das war für keinen von uns einfach. Ich hätte Perkins, Perkins, Sutter und Reynolds verlassen, aber er wollte unbedingt, dass ich blieb und den Namen der Familie in dieser alten, etablierten Kanzlei fortführte. Wenn das seine Unsterblichkeit sein sollte, dann war er sicher enttäuscht, als seine anderen Soziusse mich rausdrängten. Er war seinerzeit im Halbruhestand gewesen, aber nachdem ich die Kanzlei verlassen hatte, kehrte er wieder hauptberuflich zurück und starb eines Nachts in seinem Büro.
    Wie dem auch sei, meine kurze Karriere als Strafverteidiger lag hinter mir - es sei denn, ich rief Carmine Caputo oder Jack Weinstein an -, und Joseph Sutter hatte bereits sein ganzes Leben hinter sich. Und im Grunde genommen war es ein schönes Leben gewesen, was teilweise auch daran lag, dass er und meine Mutter eine seltsam gute Ehe führten. Sie hätten nie Kinder kriegen sollen, aber sie hatten vor der Antibabypille miteinander geschlafen, und so was passiert, wenn man einen Cocktail zu viel getrunken hat. Vermutlich wurde auf diese Weise die Hälfte meiner Generation geboren.
    Als Joseph einmal ungewöhnlich nachdenklich und offen gewesen war, hatte er zu mir gesagt: »Ich hätte in Frankreich zehnmal umkommen können - daher ist jeder Tag ein Geschenk.« In der Tat. Nach drei Jahren auf See ging es mir genauso.
    Susan hatte den Arm um mich gelegt, und Edward undCarolyn standen etwas abseits und blickten schweigend auf Opas Grab.
    Ich legte die Blumen neben das andere Bukett und sagte: »Ich bin wieder daheim, Dad.«
    63
    Meine Mutter traf zuerst ein, und ich sah, dass sie und ihre Enkel einander wirklich mochten. Schade, dass es nicht Harriet war, die die hundert Millionen auf dem Konto hatte.
    Mit einem Krug Sangria saßen wir auf dem Patio, was so nahe an die Dritte Welt herankam, wie ich es Harriet bieten konnte. Ich sagte zu ihr: »Für jede Flasche Wein, die wir trinken, kriegt ein Reisbauer in Bangladesch einen Scotch mit Soda.«
    Weil Susan und Harriet auf einer Wellenlänge liegen, was organische Nahrung angeht, mampften wir schalenweise

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