Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nelson DeMille

Nelson DeMille

Titel: Nelson DeMille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Vermächtnis
Vom Netzwerk:
Schließlich sagte er zu mir: »Es geht nicht nur ums Geld, John. Wie ich schon sagte, geht es darum, dass Susan glücklich ist. Wir wollen unsere Tochter nicht mehr so verzweifelt erleben, wie sie war ... nun, beim letzten Mal.«
    Das war interessant. Ich hatte nie erfahren, wie es Susan nach meinem Verschwinden ergangen war. Ich konnte mir zweierlei vorstellen - erstens, dass sie traurig war, sich aber wieder gefangen hatte und ihr Leben fortsetzte; oder zweitens, dass sie am Boden zerstört war, sich elend fühlte, von Schuldgefühlen geplagt wurde und dachte, ihr Leben wäre vorüber. Ich bin mir sicher, dass all das zusammenkam, und seit wir wieder vereint waren, hatte ich einen Eindruck davon bekommen, wie diese Jahre gewesen sein müssen. Und jetzt wollte William, Susans liebevoller Vater, sie nicht mehr derart verletzt erleben. Tja, wenn William nicht so ein doppelzüngiger, manipulativer und hinterhältiger Schwachkopf wäre, hätte ich ihm sogar geglaubt und ein bisschen Mitgefühl mit ihm gehabt. Aber ich dachte nicht daran, ihm seine väterliche Liebe abzunehmen, bloß weil er behauptete, er verspüre welche. Aber möglicherweise sprach er für Charlotte, und dämlich, wie sie ist, traute ich ihr zu, dass das Unglück ihrer Tochter sie sehr betrübte.
    »Das mag dich vielleicht schockieren, William«, erwiderte ich schließlich, »aber Susan und ich hatten eine wunderbare, liebevolle Ehe, und so wäre es auch weitergegangen, wenn« - ich wollte eigentlich nicht darauf eingehen, aber der Zeitpunkt war gekommen - »wenn sie kein Verhältnis mit Frank Bellarosa gehabt und ihn dann umgebracht hätte.«
    William holte tief Luft, bevor er mich anschaute und sagte: »Charlotte und ich haben über das gesprochen ... was geschehen ist, und wir können daraus nur schließen, dass eure Ehe nicht so wunderbar war, wie du dachtest. Wenn sie es gewesen wäre, dann wäre es nicht zu alldem gekommen.«
    Ich war natürlich der gleichen Meinung, doch im Nachhinein betrachtet und selbst wenn man sie ganz kritisch sah, war es eine sehr gute Ehe gewesen. Susan hatte dem beigepflichtet. Aber sogar im Paradies kann es dumm laufen. Etwa neunzig Prozent aller verheirateten Leute, die ich kannte und die ein Verhältnis eingingen, waren grundsätzlich zu Hause glücklich und blieben daheim. Ab und zu verfiel ein Mann oder eine Frau leider der oder dem Geliebten und verwechselte das mit Liebe. Und das war eine Rezeptur für häusliches und eheliches Chaos. Ganz zu schweigen davon, dass manchmal Leute erschossen wurden.
    Aber statt William das zu erklären, selbst wenn es ihn auch nur das Geringste angegangen wäre, sagte ich: »Susan hat mir gesagt - und ich bin mir sicher, dass sie es irgendwann im Lauf der letzten Jahre auch dir und Charlotte gesagt hat -, dass zwischen uns grundsätzlich alles in Ordnung war. Das, was geschehen ist, war ein Ausrutscher und kein Anzeichen eines tiefer sitzenden Problems. Sie war ... diesem Mann sexuell verfallen. Es wird nicht wieder vorkommen, vorausgesetzt, sie hat etwas daraus gelernt.«
    William bereitete die Vorstellung, seine Tochter könnte einem Mann sexuell verfallen sein, sichtlich Unbehagen. Vielleicht hatte er gedacht, sie wäre noch Jungfrau. Er verdrängte das Bild von Susan und Frank in trauter Zweisamkeit und sagte zu mir: »Ich glaube, ihr macht euch möglicherweise selbst etwas vor und versucht die Geschichte umzuschreiben. Du, John, hast anderen immer schöne Augen gemacht, wenn ich das so unverblümt sagen darf.«
    Ach, leck mich, William. Stimmt, ich flirte - oder habe es getan -, und ja, ich schaue mir die Damenwelt gern an, aber ich hatte im Verlauf meiner zwanzigjährigen Ehe nie ein Verhältnis (nur das Techtelmechtel mit Jenny Alvarez).
    Weil ihn das jedoch nichts anging, gab ich den Punkt freiwillig ab und sagte, um weiterzukommen: »Wir beide sind viel erwachsener geworden und haben gelernt, nicht mit dem Feuer zu spielen.«
    Ich dachte, das wäre möglicherweise zu hoch für Williams Eierkopf, aber er verstand es und kam dadurch offenbar auf eine neue Idee, wie er die Verlobung auflösen könnte. »Du bist dir doch sicherlich im Klaren darüber, dass Susan im Lauf der Jahre eine ganze Reihe von Verehrern hatte.«
    Das war die typische Art und Weise, mit der er mir als Vertreter der älteren Oberschichtgeneration zu verstehen geben wollte, dass Susan mit einem Haufen Typen gevögelt hatte. Also wirklich, William. Willst du deine Tochter als eine Schlampe hinstellen, die

Weitere Kostenlose Bücher