Nelson DeMille
Geschäftliches erledigen und dachte, das wäre eine günstige Gelegenheit, ein paar von meinen persönlichen Habseligkeiten aus dem Pförtnerhaus zu holen.«
»Sie sollten sich besser beeilen. Dieser Iraner wird Sie nicht dort wohnen lassen. Haben Sie ihn schon gesehen?«
»Nein.«
»Sie sollten mit ihm sprechen. In meinem lebenslangen Mietvertrag wird meinen Erben eine angemessene Frist zum Räumen der Wohnung gewährt.« Sie schob die rein rhetorische Frage nach: »Aber wer weiß, was er für angemessen hält?«
»Lassen Sie das meine Sorge sein, wenn es so weit ist.«
»Augustus hätte sich da genauer ausdrücken sollen.«
Nun ja, nicht zu genau, Ethel. Ich hatte das fragliche Dokument gesehen, in dem sowohl George als auch Ethel namentlich genannt wurden und von ihren treuen und guten Diensten über viele Jahre hinweg die Rede war. George war sicher treu gewesen, und Ethel... nun ja, offenbar gut im Bett. Ich habe mich oft gefragt, ob George den Grund für Augustus' Großzügigkeit gekannt hatte. Ich sagte: »Es wäre verfrüht, sich -«
Sie unterbrach mich. »Haben Sie Ihre Frau gesehen?«
»Meine Exfrau. Nein, noch nicht. Und Sie?«
»Sie hat gestern vorbeigeschaut.«
»Dann wissen Sie ja, dass ich sie noch nicht gesehen habe.« »Sie ist eine wunderbare Frau.«
Ich verdrehte die Augen.
»Sie sieht prachtvoll aus.«
Ich wurde allmählich ein bisschen ungehalten, daher erwiderte ich: »Viele Männer sc heinen dieser Ansicht zu sein.«
Ohne darauf einzugehen, sagte sie: »Ich glaube, sie würde Sie gern sehen.«
Ich fragte nicht, wie Ethel daraufkam, sondern wechselte das Thema. »Ich habe ein Glas Holzapfelgelee aufgemacht, und es schmeckt wunderbar. Soll ich Ihnen ein Glas vorbeibringen?«
»Nein, danke. Aber sehen Sie zu, dass Elizabeth eines bekommt.«
»Sie wollen doch bestimmt Holzapfelgelee, wenn Sie nach Hause kommen.«
»Und geben Sie ihr sämtliches Gemüse, das ich letzten Herbst eingemacht habe.«
Ich nickte, aber sie schaute geradeaus, wie es Menschen tun, die einen kurzen Blick in die Ewigkeit werfen. »Was wird aus meiner Ernte werden?«, sagte sie dann, als redete sie mit sich selbst.
Ich ließ ein paar Sekunden verstreichen, bevor ich fragte: »Wie geht's Elizabeth?«
Ethels Blick klärte sich, und sie erwiderte: »Der geht's bestens. « »Gut.« Ich hatte außerdem gehört, dass sie geschieden war, aber Frauen aus Mrs Allards Generation erwähnen so etwas nicht. »Ich muss sie anrufen«, sagte ich. Ich wollte erklären, dass Elizabeth die persönlichen Besitztümer auflisten und einen Blick auf die Papiere werfen musste, aber das könnte Ethel daran erinnern, dass sie mit einem Fuß im Grab stand und mit dem anderen auf einer Bananenschale, deshalb nahm ich mich zusammen und sagte stattdessen: »Ich muss mit ihr über Ihre häusliche Pflege sprechen.«
Sie wurde allmählich ungehalten darüber, dass ich so tat, als käme sie wieder nach Hause, und ich, ganz ehrlich gesagt, auch. »Ich liege im Sterben, Mr Sutter. Hat man Ihnen das nicht gesagt?«
»Nun ja, ich -«
»Deswegen bin ich im Hospiz und nicht in einem Krankenhaus.« »Richtig.«
»Sie müssen sich um meine Angelegenheiten kümmern, wenn ich nicht mehr da bin.«
»Deshalb bin ich hier.«
»Danke. Ich halte Sie nicht mehr allzu lange auf.«
Ich wollte sagen: »Lassen Sie sich Zeit«, sagte aber stattdessen: »Ich bleibe so lange wie nötig hier«, und fügte hinzu: »Und vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.«
»Sie waren und sind, wie ich annehme, ein zahlender Gast. Ein Kostgänger.«
»Selbstverständlich.« Der Scheck ist in der Post, Ethel. Aber die Welt steht köpf. Der Aufstieg kann in Amerika schnell gehen, doch der Abstieg erfolgt immer im freien Fall.
Aber um sie zu beruhigen, sagte ich: »Wenn Sie mir sagen, wie hoch die Miete ist, überweise ich den Betrag auf Ihr Konto.«
»Es ist die gleiche Miete, die Sie in den letzten zehn Jahren gezahlt haben.«
»Das ist sehr großzügig von Ihnen.«
»Den Betrag können Sie von Ihrer Rechnung abziehen.«
»Ich stelle Ihnen die juristische Arbeit, die ich möglicherweise für Sie tätigen muss, nicht in Rechnung.«
»Danke. Wie lange wollen Sie hier bleiben, Mr Sutter?«
Selbst wenn ich die Antwort darauf wüsste, würde ich sie niemandem verraten, der mit Susan in Kontakt stand.
»Mr Sutter? Gehen Sie wieder nach London? Oder sind Sie daheim?«
»Ich weiß es nicht genau.«
»Heißt das, dass Sie möglicherweise hier bleiben?« »Es heißt,
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