Nelson DeMille
ein totaler Langweiler, dessen einzig interessante Leistung darin bestand, sich vor ein paar Jahren in einen Mann verliebt zu haben, weshalb die Scheidung vermutlich wirklich die beste Lösung gewesen war.
Für den Fall, dass ich es nicht wusste, fügte Elizabeth hinzu: »Tom hat einen Freund.«
»Ich weiß. Naja ... « Es musste ziemlich schwierig für sie gewesen sein, als Tom sie Platz nehmen ließ und ihr mitteilte, dass es einen anderen Mann gab. Immerhin hätte das eigentlich ihr Spruch sein sollen.
Sie wechselte das Thema. »Das mit dir und Susan tut mir leid.«
»Oh, hast du davon gehört?«
Sie unterdrückte ein Lachen und erinnerte mich: »Es kam landesweit in den Nachrichten.«
»Das stimmt. Es ist so lange her.« Elizabeth besaß in den umliegenden Ortschaften drei oder vier Boutiquen, daher fragte ich sie: »Was machen die Geschäfte?«
»Sie laufen nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass die Börse zum Teufel gegangen ist und die Leute seit dem 11. September und der Anthrax-Sache ihr Geld lieber für Schutzanzüge und gefriergetrocknete eiserne Rationen ausgeben.« Sie lächelte. »Vielleicht sollte ich Designer-Gasmasken einführen.«
Ich lächelte ebenfalls. Ich achtete normalerweise nicht auf die Kleidung von Frauen, es sei denn, sie war wirklich abscheulich, aber soweit ich mich entsann, kleidete sich Elizabeth immer konservativ, obwohl ich vor Jahren einige merkwürdige Sachen in ihren Läden gesehen hatte, als Susan mich hineinschleppte. Heute jedoch hatte Elizabeth die streng geschnittenen Hosenanzüge im Schrank gelassen - vielleicht zog Tom sie an - und trug eine rosa Rüschenbluse, die ihre Bräune betonte, und einen schwarzen Seidenrock, der die Knie nicht bedeckte. Vielleicht hatte sie das Gefühl, dass ihre ehemals so maskuline Aufmachung der Grund dafür war, dass Tom ... na ja, ich sollte darüber keine Mutmaßungen anstellen, aber -
Sie unterbrach meinen Gedankenfluss und fügte zu ihrer Feststellung bezüglich der Schutzanzüge hinzu: »Die Menschen sind solche Memmen. Was ist bloß mit diesem Land los?«
»Ich weiß es nicht. Ich bin gerade erst angekommen.«
Ich sollte außerdem erwähnen, dass Elizabeth eine derart engagierte Aktivistin der Republikaner war, dass sich die Mitglieder in der Gegend auf sämtliche Aktivitäten außer Golf und Trinken einließen. Jedenfalls beruhte ihre politische Einstellung ebenso wie ihre Mitgliedschaft im Creek Country Club und der Handelskammer von Locust Valley möglicherweise eher auf geschäftlichen Interessen als auf Überzeugung. Nichtsdestotrotz hatte Elizabeths Parteizugehörigkeit bei Ethel nichts als Kummer und Bestürzung ausgelöst, und ich konnte mir vorstellen, wie Ethel George anschrie: »Wie konnte ein Kind von mir Republikanerin werden?« Und vermutlich fügte sie hinzu: »Das ist deine Schuld, George.«
»Was sagt man in London?«, fragte mich Elizabeth. »Man sagt, wir sind die Nächsten.« Sie nickte.
Elizabeth Allard Corbet hatte wellige kastanienbraune Haare, die sie schulterlang trug, große, hübsche braune Augen, eine Nase mit leicht ausgestellten Flügeln (wie George) und einen sinnlichen Mund, den sie hin und wieder zu einem leicht belustigten Lächeln verzog. Kurzum, sie war eine gutaussehende Frau mit kultiviertem Tonfall und guten Manieren - was daher kam, dass sie auf einem großen Anwesen reicher Leute aufgewachsen war.
Männer fanden sie natürlich attraktiv, obwohl sie nicht mein Typ war - und offenbar auch nicht Toms -, und auch Frauen schienen sie zu mögen. Ich konnte mich jedenfalls erinnern, dass Susan sie mochte.
Zu diesem Thema sagte ich wider besseres Wissen: »Ich nehme an, du hast gehört, dass Susan wieder da ist.«
Sie versuchte gar nicht erst, die Ahnungslose zu spielen. »Ja. Ich habe sie ein paarmal gesehen. Einmal haben wir sogar gemeinsam zu Mittag gegessen. Hast du sie schon getroffen?«
»Nein.«
»Hast du es vor?«
»Eigentlich nicht - aber vermutlich lässt es sich nicht vermeiden.«
Zu dem Thema hätte es noch viel mehr zu sagen gegeben, wenn ich Wert darauf gelegt hätte, und ich war davon überzeugt, dass Elizabeth mir ebenso wie ihre Mutter allerhand über Susan zu erzählen hatte. Aber ich wollte unter keinen Umständen, dass Leute Nachrichten und Informationen zwischen den entzweiten Parteien hin und her trugen. Daher ließ ich das Thema fallen und fragte: »Wie geht es deinen Kindern?«
»Gut. Tom ist im letzten Semester auf der Brown University, und Betsy hat ihren
Weitere Kostenlose Bücher