Nelson DeMille
ich gerade eine Fülle schlechter Möglichkeiten durchging, zog von hinten ein schwarzer Cadillac Escalade an mir vorbei. Das Fahrzeug wurde langsamer, wendete und hielt dann auf mich zu. Als es näher kam, erkannte ich Tony hinter dem Steuer.
Ich lief langsamer, als der Cadillac auf einer Höhe mit mir war, dann blieben wir beide stehen, und ein getöntes Hinterfenster senkte sich. Eine meiner schlechten Möglichkeiten, Anthony Bellarosa, fragte: »Kann ich Sie ein Stück mitnehmen?«
Ich beugte mich zu dem offenen Fenster hinunter und stellte fest, dass Anthony allein auf dem Rücksitz saß. Er trug eine schwarze Hose und ein geschmackvolles braunes Sportsakko, und ich entdeckte nirgendwo einen Geigenkasten und schloss daraus, dass er in sauberen Geschäften unterwegs war. Er fragte erneut: »Wollen Sie ein Stück mitfahren?«
»Nein. Ich laufe«, erwiderte ich.
Tony war mittlerweile ausgestiegen, griff an mir vorbei und öffnete die hintere Tür, worauf Anthony zur Seite rutschte. »Nur zu«, sagte Tony.
Ich glaube, ich habe so was schon im Kino gesehen und mich immer gefragt, warum der Idiot in die Karre steigt, statt einen Aufstand zu machen, davonzulaufen und nach der Polizei zu schreien.
Ich blickte die Grace Lane auf und ab, die wie üblich nahezu menschenleer war.
Anthony klopfte auf den Ledersitz neben sich und wiederholte seine Einladung. »Kommen Sie. Ich will mit Ihnen reden.«
Ich dachte, ich hätte ihm klargemacht, dass wir nichts zu bereden hatten, wollte aber nicht, dass er dachte, ich wäre ängstlich, was ich nicht war, oder rüde, was ich gegenüber meinesgleichen gut draufhabe, jedoch weniger gut bei gesellschaftlich eher Unbeholfenen, wie zum Beispiel Anthony. Und dann war da noch das Problem mit Susan, aus dem ich möglicherweise zu viel machte, aber ich wollte diesbezüglich auch keinen Fehler begehen. Deshalb rutschte ich auf den Rücksitz, worauf Tony die Tür schloss, sich ans Steuer setzte, eine weitere Spitzkehre hinlegte, und schon fuhren wir davon.
»Hey, keiner ist mehr sauer wegen neulich, oder?«, fragte Anthony.
»Was ist neulich gewesen?«
»Schaun Sie, mir ist klar, wo Sie herkommen. Okay? Aber was früher passiert ist, sollte auch vergangen und vergessen sein.« »Seit wann?«
»Ich meine, es hatte nichts mit mir zu tun. Daher -«
»Dass Ihr Vater mit meiner Frau gevögelt hat, hat nichts mit Ihnen zu tun. Dass meine Frau Ihren Vater ermordet hat, hat sowohl etwas mit Ihnen als auch mit ihr zu tun.«
»Vielleicht. Aber ich rede von Ihnen und mir.« »Es gibt kein Sie und ich.« »Könnte es aber.« »Kann es nicht.«
»Haben Sie über mein Angebot nachgedacht?«
»Welches Angebot?«
»Ich erhöhe auf hundertfünfzig.«
»Es waren zweihundert.«
»Sehen Sie? Sie haben doch drüber nachgedacht.«
»Sie haben mich drangekriegt«, räumte ich ein. »Und jetzt sehen Sie, dass ich gar nicht so klug bin.«
»Sie sind mächtig klug.«
»Machen Sie hundert draus, dann können wir drüber reden.« Er lachte. Wir amüsierten uns, oder?
Anthony nickte zu Tony hin, dann sagte er zu mir: »Heben wir uns das für später auf. Was halten Sie von meinem Straßenbelag?« »Mir fehlen die Schlaglöcher.« »Okay, ich reiß ihn wieder auf.«
Wir verließen die Grace Lane und passierten das Bailey Arboretum, daher sagte ich: »Hier können Sie mich rauslassen.«
»Ich will Ihnen erst noch was zeigen. In Oyster Bay. Das könnte Sie interessieren. Ich wollte es neulich zur Sprache bringen, doch Sie sind weggelaufen. Ich setze Sie auf dem Rückweg hier ab.«
Ende der Debatte. Ich hätte stinksauer sein sollen, weil das Ganze auf Kidnapping hinauslief, aber es war ein freundliches Kidnapping, und wenn ich ehrlich zu mir war, würde ich sagen, ich war ein Komplize.
Und was meine frühere freiwillige Tätigkeit für den Clan anging, so erinnerte mich Anthony allmählich an seinen Vater. Frank ließ nie ein Nein als Antwort gelten, und schon gar nicht, wenn er dachte, er täte einem einen großen Gefallen und man sei nur zu blöde, um das zu begreifen. Frank tat sich dabei natürlich gleichzeitig immer selbst einen Gefallen. Zumindest erinnerte er einen an den Gefallen, den er einem getan hatte, und bat um entsprechende Erkenntlichkeit. Ich hatte diese Tour schon mal mitgemacht, buchstäblich wie auch im übertragenen Sinn, daher führte Anthony keine Jungfrau in Versuchung. Genau genommen bekamen die Tricks und Lektionen, die ich von seinem Vater gelernt hatte, dem Sohn ganz und
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