Nelson DeMille
durchaus der Fall sein konnte.
Und dann war da Mr Anthony Bellarosa, der ein Stück die Straße runter wohnte. Wie seltsam, dachte ich, dass die Herren Bellarosa und Nasim, die von entgegengesetzten Seiten des Universums kommen, das gleiche Problem haben: Alte Feinde wollen sie umbringen. Aber vielleicht war das gar kein Zufall; es ist ein Berufsrisiko, wenn man von Berufs wegen ein gefährliches Leben führt und die falschen Leute anpisst.
Auftritt John Sutter, der gerade in die Stadt gekommen ist, um sich um ein paar geschäftliche Angelegenheiten zu kümmern, und zwei Angebote erhält, mit denen er schnell etwas Geld verdienen kann. Das war meine Glückswoche - es sei denn, ich geriet ins Kreuzfeuer.
Ich näherte mich dem Gästehaus und überlegte, ob ich anhalten und bei ihr klingeln sollte. »Hallo, Susan, ich schaue nur kurz vorbei, um dir zu sagen, dass du dich nicht aufregen sollst, wenn du eine Gruppe Bewaffneter mit schwarzen Skimasken über deinen Rasen rennen siehst. Sie wollen bloß Mr Nasim umbringen.« Und ich sollte vielleicht hinzufügen: »Falls Mr Anthony Bellarosa vorbeikommt, solltest du nicht vergessen, dass du seinen Vater umgebracht hast. Ach, und übrigens habe ich ein paar Nacktfotos von dir und ein paar Fotos von deiner gestörten Familie.«
Ich bremste ab, als ich auf Höhe ihres Hauses war, und sah sie sogar durch das vordere Fenster meines einstigen Herrenzimmers. Sie saß da, wo früher mein Schreibtisch gestanden hatte, und es sah so aus, als ob sie mit Telefon und Computer beschäftigt war, wahrscheinlich nebenbei noch einen Joghurt aß und sich gleichzeitig die Nägel lackierte.
Ich überlegte, ob ich die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und anhalten sollte. Ich musste mit ihr über das sprechen, was Nasim gesagt hatte, und über Anthony und ein paar weniger dringliche Angelegenheiten. Doch das konnte ich auch am Telefon machen ... Ich fuhr zum Pförtnerhaus weiter.
Es war ein trister Tag, wettermäßig und auch ansonsten, aber ich sah ein paar Risse in den Wolken, und morgen sollte es sonnig werden. Außerdem hatte ich die Frage mit meiner Unterkunft geklärt - mich störte es nicht, wenn ein islamisches Killerkommando über die Mauer kletterte -, und ich war mit der Schreibtischarbeit fertig, ich hatte mit Ethel Frieden geschlossen, hatte eine Art Verabredung mit Elizabeth, und ich hatte ein Angebot von Anthony Bellarosa ausgeschlagen, was ich schon vor zehn Jahren bei seinem Vater hätte tun sollen.
Insgesamt gesehen, war alles auf dem rechten Weg, und es war gut möglich, dass eine wunderbare, strahlende Zukunft vor mir lag.
Und dennoch hatte ich eine ungute Vorahnung, ein Gefühl, dass Kräfte am Werk waren, die ich einerseits verstand, andererseits einfach abtat, wie schwarze Sturmwolken auf See, die am Horizont mein Boot umkreisten, während ich unter einem Stück sonnigen Himmels in der Flaute lag.
Ich ging ins Pförtnerhaus, holte mir ein Bier und setzte mich damit auf eine Bank in Ethels Siegesgarten. Ich dachte über die Veränderungen nach, die sie in ihrem langen Leben mitgemacht hatte - ihr Frühling, ihr Sommer, ihr Herbst und jetzt ihr kalter, dunkler Winter. Ich wusste, dass sie vieles bedauerte, unter anderem eine verlorene Liebe, und musste an Susan denken.
Wie mein verstorbener Vater einst zu mir gesagt hatte: »Es ist zu spät, um die Vergangenheit zu ändern, doch es ist nie zu spät, die Zukunft zu ändern.«
Ich wollte am Ende des Tages keine alten Sachen bereuen; was ich wirklich brauchte, waren ein paar neue Dinge, die ich bereuen konnte.
15
Am Samstagmorgen war es sonnig und kühl. Gutes Wetter zum Laufen.
Ich zog meine Trainingssachen an und joggte die Grace Lane entlang in Richtung Bailey Arboretum, sechzehn Hektar Waldland, das einstmals zu einem Anwesen gehörte, heute aber ein Park und, soweit ich mich erinnerte, ein guter Ort zum Laufen war.
Beim Laufen kann ich am besten nachdenken, und heute war mein erstes Thema das Treffen mit Elizabeth. Ich musste das Pförtnerhaus aufräumen, dann zur Ortschaft fahren und Wein und irgendwas zum Knabbern besorgen. Dann legte ich mir einen Ablaufplan für den Nachmittag mit ihr zurecht: erst die rechtlichen Angelegenheiten, danach eine Auflistung des gesamten Inventars. Danach vielleicht ein Gläschen Wein. Vielleicht mehrere Gläser Wein. Vielleicht sollte ich einfach nicht mehr darüber nachdenken.
Ich schob die Gedanken beiseite und dachte ein bisschen über meine langfristigen Pläne nach. Als
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