Nelson DeMille
auf und goss uns den restlichen Wein ein.
Während sich Elizabeth die letzten Fotos ansah, sagte sie: »Ich lasse dir von allen Abzüge machen.« »Danke.«
Sie saß eine Weile schweigend da, trank ihren Wein und teilte mir schließlich mit: »Ich habe gehört, dass ... Bellarosas Sohn in eines der Alhambra-Häuser gezogen ist.«
Ich nickte.
Wieder schwieg sie, bevor sie fragte: »Meinst du ...? Ich meine, könnte das für Susan problematisch sein?« »Was sagt Susan dazu?«
Elizabeth warf mir einen kurzen Blick zu, bevor sie erwiderte: »Sie glaubt es nicht. Sie scheint sich keinerlei Sorgen zu machen.« »Gut.«
»Aber ... na ja, ich würde mir welche machen.«
Ohne darauf einzugehen, öffnete ich die zweite Flasche toskanischen Roten, einen Cabreo II Borgo, worauf wir schweigend dasaßen, Wein tranken und ein bisschen beschwipst wurden.
Allem Anschein nach war uns der Gesprächsstoff ausgegangen; oder, um es anders auszudrücken, jemand musste das Thema Sex oder Abendessen ansprechen. Elizabeth hatte es bereits angeschnitten, und ich hatte es vorüberziehen lassen, aber sie versuchte es mit einem weiteren Vorstoß: »Ich bin zu betrunken, um zu fahren. Kannst du fahren?«
»Nein.«
»Dann sollten wir hierbleiben.«
Ich konnte ihr natürlich ein Taxi rufen, und genau das würde ein wahrer Gentleman tun - besser gesagt ein schlappschwänziges, beknacktes Zerrbild von einem Mann. Deshalb sagte ich: »Lass uns hierbleiben.«
»Das ist eine gute Idee.« Sie trank ihren Wein aus und stand auf. »Ich brauche eine Dusche.«
Ich stand ebenfalls auf und schaute ihr hinterher, als sie ein bisschen unsicher in den Flur ging. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihr folgen sollte. »Liebe Ms Post -« »Lieber VALI, ficken Sie einfach mit ihr.«
»Okay.« Ich ging in Richtung Flur, dann zögerte ich. Ich meinte mich zu entsinnen, dass ich bereits zu dem Schluss gekommen war, Elizabeth sei emotional aufgewühlt und verletzlich und ich solle das lieber nicht ausnutzen. Etwas egoistischer gedacht, wollte ich mein Leben zu diesem Zeitpunkt nicht noch komplizierter machen. Und Elizabeth Allard Corbet wäre eine große Komplikation. Andererseits ... ich meine, es war ihre Idee.
Mein Kopf sagte nein, mein Herz sagte vielleicht, und mein Schwanz deutete zur Treppe. Der Schwanz gewinnt immer.
Aber erst entkorkte ich die dritte Flasche Wein, nahm zwei Gläser und ging zum Fuß der Treppe, wo ich hörte, wie im ersten Stock eine Tür geschlossen wurde.
Ich stieg die Stufen zu dem schmalen Flur hinauf. Das Badezimmer war geradeaus, das Zimmer ihrer Mutter auf der linken Seite und mein Zimmer - ihr altes Zimmer - auf der rechten. Alle drei Türen waren geschlossen, daher öffnete ich meine und sah, dass sie nicht dort drin war. Ich stellte die Flasche und die Gläser auf den Nachttisch. Jetzt hörte ich die Dusche im Badezimmer laufen.
Ich war schon mal in dieser Lage gewesen, vor einer geschlossenen Badezimmertür, während die Dame drin duschte und ohne eindeutige Einladung, die Dusche mit ihr zu teilen. »Liebe Ms Post -«
»Hey, Dummkopf, sieh zu, ob die Tür nicht abgeschlossen ist.«
»Ach ja.« Ich ging zurück zur Badezimmertür und drehte vorsichtig am Knauf. Abgeschlossen.
Ich ging wieder in mein Schlafzimmer, ließ die Tür offen, goss zwei Gläser Wein ein und setzte mich in den Lehnsessel.
Die Dusche hörte auf zu rauschen. Ich schlug ein Time-Magazin auf, trank einen Schluck Wein und las.
Ein paar Minuten später, als ich gerade einen faszinierenden Artikel über dies oder jenes las, hörte ich, wie die Badezimmertür geöffnet wurde, dann streckte Elizabeth, die in ein großes Badetuch gehüllt war und sich mit einem anderen Handtuch die Haare abtrocknete, den Kopf durch meine Tür. »Dusche ist frei«, sagte sie.
»Gut.« Ich stand auf. »Geht's dir besser?«
»Phantastisch.« Dann drehte sie sich um, ging ins Zimmer ihrer Mutter und schloss die Tür. Ich hörte den Föhn.
Der erste Sex ist wie der erste Tanz. Wer führt wen? Tanze ich zu eng oder zu weit auseinander? Brauchte ich eine Dusche? Ja.
Ich ging ins Badezimmer, ohne die Tür abzuschließen, zog mich aus und warf meine Kleider in die Ecke, auf ihre, dann stieg ich in die Dusche, war mir aber noch immer nicht sicher, worauf das hinauslief.
Als ich fertig war, trocknete ich mich mit dem letzten Handtuch ab, schlang es mir um die Taille und ging hinaus in den Flur. Ihre Schlafzimmertür war immer noch geschlossen, doch es war ruhig dahinter.
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