Nelson DeMille
spießig.«
Elizabeth rang sich ein Lächeln ab, dann teilte sie mir mit: »Susan ist wieder in den Club eingetreten. Wir haben dort zu Mittag gegessen. Daher ist das möglicherweise kein Problem. Aber wir können auch in ein Restaurant gehen.«
Ich trank meinen Wein aus und goss mir ein weiteres Glas ein. Um das klarzustellen: Ich hatte mich im Creek auf dünnem Eis bewegt, weil ich Mr Frank Bellarosa, einen Mafioso, und seine etwas schrill gekleidete Frau Anna zum Abendessen in den Club mitgenommen hatte; rausgeflogen waren wir jedoch, weil Susan besagten Mafioso ermordet hatte. Und jetzt hatte Susan Stanhope Sutter - Stanhope ist hier das entscheidende Wort - also die Frechheit besessen, die Mitgliedschaft neu zu beantragen, und war tatsächlich aufgenommen worden. Wenn ich mich wieder bewarb, dessen war ich mir sicher, würde ich feststellen, dass ich nach wie vor mit einem Bann belegt war.
Nichtsdestotrotz sagte ich: »Der Creek ist bestens, wenn du nichts gegen eine Ermahnung vom Kuratorium hast.«
Sie dachte darüber nach, lächelte und erwiderte: »Das könnte lustig werden.«
Als ich ihr Glas nachgoss, dachte ich außerdem daran, dass ich jedem, den ich einst dort kannte, über den Weg laufen könnte, Susan eingeschlossen. Aber zum Teufel noch mal. Es könnte lustig werden.
»Aber wir könnten auch hierbleiben«, schlug Elizabeth vor.
Ich schaute sie in dem schummrigen Licht an, und wie schon gesagt, bin ich nicht allzu gut, wenn es darum geht, die Signale einer Frau zu deuten. Elizabeths Signale waren jedoch laut und deutlich. Ich erwiderte: »Lass uns darüber nachdenken.«
»Wir wollen aber nicht nachdenken.«
Ich nickte und wechselte das Thema. »Ich habe etwas für dich.« Aus dem Esszimmer holte ich Susans Fotos von den Allards.
Ich kniete mich neben Elizabeths Stuhl und sagte: »Susan hat den Großteil davon aufgenommen, und ich möchte sie dir geben, würde mir aber gern ein paar Abzüge machen.«
Sie nahm den Packen Fotos, blätterte sie durch und gab zu jedem ein paar Bemerkungen ab, wie zum Beispiel: »Ich kann nicht fassen, wie lange wir alle zusammen waren ... An das kann ich mich kaum erinnern ... Oh, schau mal, das hier war bei meinem College-Abschluss ... da bist du, John, und hast den Arm um mich und Dad gelegt ... o Gott, war ich dämlich, oder was?«
»Nein, warst du nicht. Von dem will eine Kopie haben.« »Nein, nein.« »Du siehst klasse aus mit den glatten schwarzen Haaren.« »O mein Gott - was habe ich mir bloß dabei gedacht?«
Wir stießen auf ein gestelltes Bild, das auf der hinteren Terrasse von Stanhope Hall aufgenommen worden war, Anlass unbekannt oder vergessen. Auf dem Foto stehen Ethel, die mittleren Alters, doch immer noch attraktiv ist, und George, der noch braune Haare hat, neben Augustus Stanhope, der hier schon sehr tattrig ist und in einem Schaukelstuhl sitzt, eine Wolldecke über den Knien. Außerdem hat er ein etwa sechs- bis siebenjähriges Mädchen auf dem Schoß, bei dem es sich, wie mir klarwurde, um Elizabeth handelte.
»Das bin ich nicht«, scherzte sie.
»Es sieht aber aus wie du.«
Sie starrte auf das Foto, dann sagte sie: »Meine Mutter hat sich um ihn gekümmert, bevor man rund um die Uhr Schwestern einstellen musste.« Elizabeth legte das Bild zu den anderen auf den Tisch. »Mom mochte ihn sehr gern.«
»Er war ein Gentleman. Ganz im Gegensatz zu seinem Sohn.«
Wir ließen das Thema fallen und blätterten weiter durch die Fotos.
Irgendwann bemerkte Elizabeth: »Ich kann es kaum fassen, wie viele von diesen Menschen tot sind.« Ich nickte.
»Warst du damals glücklich?«, fragte sie.
»Ja. Ich war mir jedoch nicht immer darüber im Klaren. Wie war's bei dir?«
»Ich glaube, ich war glücklich.« Sie wechselte das Thema. »Oh, hier sind Edward und Carolyn. Sie waren so niedlich.«
Und so setzten wir unsere fotografische Zeitreise fort, und ich glaube, uns beiden wurde klar, wie sehr sich unsere Leben überschnitten hatten und wie wenig wir dennoch voneinander wussten.
Da Susan den Großteil dieser Bilder aufgenommen hatte, war sie nicht oft zu sehen, aber wir stießen auf ein Foto, das Susan und Elizabeth gemeinsam zeigt, aufgenommen nach der alljährlichen Stanhope'schen Weihnachtsparty im Herrenhaus. Elizabeth starrte darauf und sagte: »Sie ist eine wunderschöne Frau.«
Ich gab keinen Kommentar dazu ab.
»Beim Mittagessen war sie sehr nett.«
Weil ich nicht die Absicht hatte, mich nach dem Mittagessen zu erkundigen, stand ich
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