Nelson DeMille
durch die Fliegengittertür, und ich stand da, wollte ihr am liebsten folgen, wusste jedoch, dass ich es nicht tun sollte. Ich goss mir eine weitere Tasse Kaffee ein und spazierte durch Ethels Garten, der mit Unkraut überwuchert war, das ihr Gemüse erstickte. Warum erstickte das Gemüse nicht das Unkraut?
Wenigstens in meine Gedanken brachte ich etwas Ordnung: Erstens, ich mochte Elizabeth Allard. Zweitens, ich musste Herr des Geschehens werden, bevor es meiner Herr wurde. Und das hieß, dass ich mit Susan sprechen musste - nicht morgen oder übermorgen, sondern noch heute Morgen. Dann hätte der Besuch im Haus von Bellarosa einen Sinn und führte vielleicht zu einer Lösung.
Und dann, heute Abend, könnte ich mit Elizabeth schlafen - oder auch allein schlafen, aber zum ersten Mal seit zwei Wochen wieder ruhig und fest.
ZWEITER TEIL
Den Gang entlan g, den wir niemals beschritten,
Gegen das Tor hin, das wir nie geöffnet ,
I n den Rosengarten.
T. S. Eliot »Burnt Norton«, aus Vier Quartette
21
Ein altes Radio stand auf dem Kühlschrank, und Patti Page sang »Old Cape Cod«, was mich an ein paar Segeltörns erinnerte, die ich dort mit meiner Familie unternommen hatte. Der Sender spielte ein Potpourri von Songs, die sich auf die amerikanische Geographie bezogen, und der nächste war »Moonlight in Vermont« Ich war mir sicher, dass Ethel den Einstellknopf seit zwei Jahrzehnten nicht mehr angerührt hatte.
In diesem Pförtnerhaus war die Zeit stehengeblieben, während die sich verändernde Welt zu den Mauern von Stanhope Hall vordrang. Genau genommen hatte sich auch das Leben innerhalb der Mauern verändert, und die Zeit war dabei, diesen Ort und die Menschen einzuholen, die hier lebten, früher und jetzt.
Es war noch nicht einmal neun Uhr, und ich hatte bereits geduscht und eine braune Hose und mein letztes sauberes Hemd angezogen. Ein maßgeschneiderter blauer Blazer aus der Savile Row hing über der Lehne des Küchenstuhls. Ich war für einen Besuch bei Susan gekleidet, aber womöglich auch herausgeputzt, ohne irgendwohin zu gehen, bis ich mich um vier zum Essen mit einem Mafia-Don begab.
Bevor ich Susan anrief, sollte ich vielleicht erst meine Sonntagsanrufe bei Carolyn und Edward erledigen. Allerdings schlief Carolyn am Sonntag lange, und in Los Angeles war es sechs Uhr morgens, daher sollte ich vielleicht meine Mutter anrufen, doch normalerweise hatte ich einen steifen Drink in der Hand, wenn ich mit Harriet sprach, und dafür war es noch ein bisschen früh.
Um Viertel nach neun sang Ray Charles »Georgia«, und ich stand immer noch in der Küche und hatte eine Tasse Kaffee in der Hand.
Seltsam, dachte ich, dass ich einem Mafia-Don sagen kann, er könne mich kreuzweise, aber nicht den Mut aufbringe, Susan anzurufen.
Die letzten wehmütigen Töne von »Georgia« verklangen, und der DJ mit der angenehmen Stimme sagte: »Das war herrlich. Sie hören WLIG, den Sender für das Land der Freien und die Heimat der Tapferen.«
Auf diese aufmunternde Ansage hin schaltete ich das Radio aus, griff zum Küchentelefon und wählte die Nummer des Gästehauses, die Carolyn mir gegeben hatte. Ich hörte, wie das Telefon dreimal klingelte, und hoffte, dass sich der Anrufbeantworter einschaltete.
Susan musste eine Anruferkennung haben, die Ethels Telefonnummer anzeigte, denn sie meldete sich mit »Hallo, John«.
Ich spürte, wie mein Herz klopfte, als ich sie meinen Namen aussprechen hörte, und hätte fast aufgelegt, was ich natürlich nicht konnte - selbst wenn ich vielleicht Ethels hohe Stimme hätte imitieren und antworten können: »Hallo, Mrs Sutter, ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen, dass ich aus dem Hospiz zurück bin«, um dann aufzulegen.
»John?«
»Hallo, Susan.«
Schweigen.
»Wie geht es dir?«, erkundigte ich mich.
»Mir geht's gut. Wie geht es dir?« »Prima. Gut. Wie geht es dir?« »Immer noch gut.« »Richtig ... mir auch.«
»Du hast diesen Anruf nicht besonders gut einstudiert«, stellte sie fest. Darüber war ich ein bisschen ungehalten und sagte: »Mir ist gerade eingefallen, dass ich dich anrufen könnte, und ich hatte keine Zeit, mir Notizen zu machen.« »Und was verschafft mir die Ehre dieses Anrufs?«
Meine Güte. Ich hatte nicht erwartet, dass sie außer sich vor Freude oder gar rührselig sein würde, wenn sie meine Stimme hörte, aber auch nicht derartig frostig. Ich musste mich daran erinnern, dass Ethel und Elizabeth angedeutet hatten, Susan würde sich über einen Anruf
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