Nelson sucht das Glück
machten einen freundlichen Eindruck, doch nach dem Erlebnis mit dem stinkenden Mann konnte er ihnen einfach nicht trauen. Wenn sie ihm zu nahe kamen, knurrte er sie an und lief davon.
Allmählich wurde er müde, und Hunger bekam er auch. Es war schon fast Zeit für sein tägliches Abendessen und vielleicht acht Stunden her, seit Don ihm sein Frühstück in den Napf gegeben hatte. In seinem Magen war ein richtiges Loch, und das tat allmählich weh. Sein Maul wurde trocken, und er keuchte unkontrolliert. Ihm sank der Mut, als er merkte, dass er genau diese Straße schon eine Stunde vorher entlanggegangen war. Trotzdem kamen ihm die Gerüche bekannt vor. Er musste einfach in der Nähe von zu Hause sein. Katey hatte er an diesem Nachmittag kein einziges Mal gerochen. Dabei war es ihr Geruch, nach dem er sich von allen Düften der Welt am meisten sehnte. Während seine Nase die komplizierte Duftmischung filterte, war es doch ihr tiefes, unverkennbares Aroma, nach dem er auf der Suche war. Doch es war nirgendwo zu finden. Die Sonne verschwand vom Himmel, in den Bäumen um ihn kam Wind auf, und es wurde Nacht.
Dann, urplötzlich, aus heiterem Himmel, hört er ihre Stimme. Es begann ganz in der Ferne. Sie rief nach ihm. Zuerst war die Stimme so weit weg, dass er dachte, er habe sie sich nur eingebildet. Doch dann wurde sie lauter. Es war Katey. Das war eindeutig Katey. Selbst aus der Entfernung konnte er die Verzweiflung in ihrer Stimme hören. Er wollte ihr in die Arme springen. Er wollte sie küssen und sie trösten und ihr zeigen, dass alles in Ordnung war.
Die Stimme, die rief, kam näher und näher. Nelson bellte, so laut er konnte. Er schaute sich überall um, versuchte, sie zu finden. Immer wieder holte er tief Luft, schnüffelte wie wild und versuchte, ihre Witterung aufzunehmen. Er war überzeugt davon, dass sie ganz nahe war. Mit all der Energie, die ihm geblieben war, rannte Nelson in die Richtung, aus der, wie er glaubte, die Stimme kam. Kateys Rufe wurden jetzt lauter und lauter. Wieder bellte Nelson mit all der Kraft, die er noch hatte.
Dann herrschte einen Moment lang Stille. Nelson blieb stehen, sein Herz schlug laut. Sie musste ganz in der Nähe sein. Jetzt würde er sie jeden Moment sehen, und dann würde er mit ihr heimgehen und sein Abendessen bekommen. Kurz danach rief ihre Stimme wieder nach ihm. Sie war so nah, so nah. Einen Moment lang erfüllte ihr Duft seine Nase. Er holte tief, tief Luft, Freude explodierte in ihm. Und dann lief er auf einer kleinen Seitenstraße in Richtung des Geruchs, so schnell er nur konnte.
Dann verschwand die Stimme unerklärlicherweise wieder und verflüchtigte sich innerhalb weniger Sekunden in der Nachtluft. Der Duft war weg, zusammen mit dem fernen Motorengeräusch ihres Wagens, das in die Nacht hinein verschwand.
Der kleine Hund geriet in Panik. Er bellte und bellte. Eine Frau kam aus einem Haus in der Nähe und schrie ihn an, er solle still sein. Den Schwanz zwischen die Beine geklemmt, rannte Nelson davon.
Die Dunkelheit brach herein, und Nelson saß keuchend unter einem hohen Baum. Während ihm eine kalte Brise in die Knochen fuhr, spürte er zum ersten Mal in seinem Leben, wie es ist, wenn man sich verlaufen hat.
10
Als Katey an diesem Nachmittag nach Hause gekommen war und das offene Türchen gesehen hatte, geriet sie in Panik. Sie lief in den Garten, in der Hoffnung, Nelson noch dort vorzufinden. Doch er war nirgendwo zu sehen. Sie rief Don an, erreichte jedoch nur seine Mailbox und hinterließ ihm wütend eine Nachricht. Sie lief durch das Viertel, suchte nach Nelson, rief ihn und hoffte dabei, ihn irgendwann auf sich zulaufen zu sehen, wild mit dem Schwanz wedelnd. Sie fragte auch ein paar Nachbarn, ob die ihren Hund gesehen hätten, doch niemand konnte ihr etwas sagen. Es war ein schreckliches, leeres Gefühl, nicht zu wissen, wo Nelson war. Natürlich würde sie ihn finden. Die Leute fanden ständig irgendwelche Hunde, die sich verlaufen hatten. Schon jetzt wusste sie, dass Don an allem schuld war, weil er unvorsichtigerweise das Türchen offen gelassen hatte, doch erst einmal unterdrückte sie die Wut, die in ihr aufstieg, weil ihr klar war, dass es ihr nicht dabei helfen würde, Nelson zu finden.
Etwa eine Stunde später kehrte sie nach Hause zurück und schaute noch einmal im Garten nach, doch Nelson war immer noch nicht da. Sie lief zum Auto und versuchte systematisch, ihre Suche auf Stadtbezirke außerhalb ihres Viertels auszuweiten. Einmal rief
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