Nelson sucht das Glück
jemand sie unter unbekannter Nummer an, und sie hoffte, es sei einer der Nachbarn, der ihr sagen wollte, Nelson sei zu Hause, gesund und munter. Doch es war nur falsch verbunden. In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass Don sie immer noch nicht zurückgerufen hatte.
Die Stunden vergingen. Die Sonne war untergegangen, und ein kalter Wind wehte durch die Nacht, die gerade angebrochen war. Katey hatte keinen Pullover mitgenommen und zitterte vor Kälte. Doch sie nahm es gar nicht wahr. Sie rief und rief nach Nelson, fuhr manche Straßen mehrfach ab, um nach ihm zu suchen, ehe sie sich an die nächste machte.
Es war schon nach neun Uhr, als sie ein unverwechselbares Bellen hörte, das durch die Nacht an ihre Ohren drang, lauter und wieder leiser werdend. Sie war sich sicher, dass das Nelson war. Das war das Bellen, mit dem er sie willkommen geheißen hatte, wenn sie von ihren Konzerttourneen heimgekommen war. Einen Moment lang hielt sie den Wagen an, rief nach ihm, versuchte zu orten, woher das Bellen kam. Er musste ganz in der Nähe sein. Sie versuchte, ruhig zu bleiben, und suchte die dunklen Straßen ringsum ab, wobei sie ihren Wagen nur noch im Schritttempo fuhr, in der Hoffnung, jeden Moment würde Nelson aus einer der Seitenstraßen oder Gärten herausspringen. Wieder und wieder hörte sie ihn bellen, manchmal ganz in der Nähe.
Doch sowohl Gerüche als auch Geräusche sind trügerisch, wenn ein leichter Wind geht. In dem Moment, als Kateys Rufe aufhörten, verstummte auch Nelsons Bellen. Viele, viele Stunden lang gab sie nicht auf, fuhr voller Hoffnung die Straßen entlang und suchte nach ihm. Doch Nelson war irgendwann unter einem hohen Baum eingeschlafen und hörte ihre Rufe nicht mehr. Um vier Uhr am folgenden Morgen gab Katey schließlich auf und fuhr nach Hause. Das Haus lag in völliger Dunkelheit, und von ihrem Mann war weit und breit nichts zu sehen. Doch mit dieser Tatsache würde sie sich erst dann beschäftigen, wenn sie Nelson gefunden hatte.
Während sie erschöpft auf der Couch im Wohnzimmer zusammensank, fragte sie sich, ob der Hund wohl irgendetwas gegessen oder getrunken hatte. Wenn er draußen war, schlotterte er bestimmt vor Kälte. Einen Moment lang fragte sie sich, ob er vielleicht überfahren worden war. Gleich am nächsten Morgen würde sie weiter nach Nelson suchen.
Zweiter Teil
Vagabundenleben
11
Nelsons Schlaf war unruhig. Mehrmals wachte er auf, weil er vor Kälte zitterte, doch selbst die Kühle der Nacht hielt ihn nicht davon ab, bald wieder einzuschlafen. Die Ereignisse des Tages hatten den kleinen Kerl erschöpft. Stundenlang war er herumgelaufen und gerannt und war dabei von Hunderten Reizen bombardiert worden, die er noch nicht gekannt hatte.
Er träumte von seiner großen Liebe. Er lag mit ihr in ihrem Bett. Er lag unter ihrem Flügel. Er spielte mit ihr in ihrem Garten, wo die Blumen Würste waren und das Gras aus Schweizerkäse bestand. Bevor er am nächsten Morgen aus dem Schlaf hochschreckte, träumte er auch von Don. Über und über mit dem Gestank seiner Geliebten bedeckt, biss er Katey am ganzen Körper. Nelson roch das Blut. Er sprang Don an, versuchte, ihm Einhalt zu gebieten. Der Traum war intensiv und brutal. Als Nelson aufwachte, raste sein Herz.
Nelson atmete tief den Geruch der Vorstadt ein. Hier roch es immer noch ein bisschen vertraut, doch zum größeren Teil waren die Gerüche für ihn neu. Da waren unbekannte Hunde und Menschen und Eichhörnchen um ihn herum. Nur Katey war nirgendwo. Ganz still saß der kleine Hund ein paar Minuten da. Er winselte, doch niemand kam. In der Ferne bellte ein großer Hund. Nelson blieb stumm.
Allmählich bekam er Hunger, ein Gefühl, das er noch nie in seinem jungen Leben empfunden hatte. Einen ganzen Tag lang hatte er nichts gegessen, länger, als er jemals ohne Futter hatte auskommen müssen, und als der Hunger kam, war er intensiv und verzehrend. Aufgewacht war er mit dem überwältigenden Wunsch, Katey zu finden, doch der wurde rasch ersetzt durch ein noch dringenderes Bedürfnis. Er musste etwas zu fressen finden.
Nelson hob schnuppernd die Nase in die Luft. Normalerweise kategorisierte und analysierte sein Gehirn Gerüche gemäß einer ganzen Bandbreite von Faktoren, wobei seine Neugier an erster Stelle stand. Heute jedoch diente sein intensives Schnuppern nur einem Zweck: Futter zu finden. Er schnüffelte und schnüffelte, versuchte, auf irgendeine Fährte zu stoßen, die ihm etwas bescheren könnte, mit dem er
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