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Nelson sucht das Glück

Nelson sucht das Glück

Titel: Nelson sucht das Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Lazar
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Leine, der ihm seinen Wunsch nicht immer erfüllte. Gierig nahm Nelson die Duftlandschaft in sich auf, hinterließ überall seine eigene Duftmarke und folgte zum ersten Mal in vollkommener Freiheit seiner Nase. In seiner ersten Stunde weit weg vom Haus dachte er nicht ein Mal an Katey.
    Während all die Gerüche der Welt da draußen ihn in alle möglichen Richtungen lockten, merkte er gar nicht, wie er sich allmählich immer weiter von der ruhigen, grünen Vorstadt entfernte, in der er zu Hause war. Die Gärten wurden ein wenig kleiner, die Häuser ein wenig ungepflegter, und die Verschmutzung der Luft größer. Katey war mit ihm nie woanders spazieren gegangen als in einer ruhigen Straße in der Vorstadt. Der Boulevard, der ins Herz der City führte, hatte vier Spuren, und die Autos sausten in einer Geschwindigkeit vorbei, die er von den verkehrsberuhigten Straßen seiner Nachbarschaft nicht kannte. Doch da waren Gerüche auf der anderen Seite des Boulevards, die ihn lockten. Er musste einfach wissen, was das war. Da waren Hunde und Menschen und Pflanzen und Gras, die alle hier lebten. Geschichten, von denen er nicht einmal geträumt hatte, warteten auf ihn. Die Autos machten ihm Angst, doch wenn gerade nicht so viele da waren, würde er rasch über die Straße laufen und es so auf die andere Seite schaffen, immer der Nase nach. Das war jedenfalls sein Plan. Es war Nelson gar nicht bewusst, wie er es geschafft hatte, auf dem Mittelstreifen des Boulevards festzusitzen, an dem auf beiden Seiten die Autos vorbeirasten. Die Gerüche, die ihn eigentlich angezogen hatten, waren mittlerweile nur noch schwach. Es gab lediglich die Abgase von Hunderten Autos, ein Gestank, der abstoßend, und ein Lärm, der schier unerträglich war.
    Einen Moment lang ließ der Verkehr nach. Nelson saß wie angewurzelt mitten auf der Straße, keuchend. In diesem Moment wurde er, noch bevor er Zeit hatte zu reagieren, von einem übel riechenden Mann mit einem langen Bart am Nackenfell gepackt und hinüber auf den Gehsteig getragen. Dort setzte sich der Mann mit Nelson auf den Boden, wo er ihn auf eine Weise festhielt, die dem Hund unangenehm war. Er schaute dem Hund direkt in die Augen und sprach hektisch auf ihn ein. Sein langes Haar stank, seine Kleider waren ungewaschen, sein ganzer Körper roch nach etwas, das Nelson irgendwie an das Bier erinnerte, das Don oft vor dem Fernseher getrunken hatte, nur stärker. Nelson wand sich, doch der Mann packte ihn noch fester. Gleich nebenan war ein Haufen von etwas, das für Nelsons Nase wie Müll roch. Der Mann griff hinein und holte ein stinkendes Hühnerbein heraus, um das viele Fliegen herumsummten, und hielt es Nelson vor die Nase. Als der sich abwandte, schob der Mann es ihm ins Maul. Der Hund bellte, und der Mann schrie ihn an. Drei Kinder gingen an dem Mann vorbei und riefen ihm etwas zu. Er schrie zurück. Während sie stritten, lockerte sich sein Griff eine Sekunde lang, und Nelson gelang es, sich freizumachen, indem er mit dem Kopf aus dem mit Nieten besetzten Lederhalsband schlüpfte, das Katey ihm vor einigen Wochen gekauft hatte. Der Obdachlose blieb zurück, in der Hand nur das Halsband mit der schimmernden Namensplakette. Einen Tag darauf verkaufte er beides für einen Dollar.
    Nelson lief um sein Leben. In der entgegengesetzten Richtung lockte eine der grünen Vorstadtstraßen, wie er sie gut kannte. Dorthin flitzte er. Als der Geruch des Obdachlosen verschwunden war, rollte sich Nelson unter einem schattigen Baum zusammen und schloss japsend die Augen. Wo war bloß Katey?
    Als er eine Stunde später wieder aufwachte, blitzten überall um ihn herum vertraute Gerüche auf. Er war ganz nah an zu Hause. Das wusste er. Da war die Witterung anderer Hunde, die er an dem Gras bereits gerochen hatte. Das Gras war genau wie das an der Straße, wo er gelebt hatte. Er hob die Nase schnuppernd in die Höhe und versuchte, all die herrlichen Gerüche auszublenden, die ihn vor nur wenigen Stunden durch das Gartentürchen hinausgelockt hatten.
    Ganz langsam trottete der kleine Hund die Straße entlang in eine Richtung, deren Gerüche ihm sagten, sie würde nach Hause führen. Doch es war ein windiger Tag, und die Düfte, die in der Luft lagen, änderten sich ständig. Auf sie war kein Verlass, und irgendwelche visuellen Anhaltspunkte, die Nelson nach Hause führen könnten, gab es auch nicht. Stundenlang irrte er so umher. Manchmal versuchten Menschen auf der Straße, sich ihm zu nähern. Einige

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