Nelson sucht das Glück
seinen Hunger stillen konnte.
Spielerisch hatte Nelson in seinem kurzen Leben bereits oft gejagt, sowohl Vögel als auch Eichhörnchen. Er wusste nicht, dass dieser Drang dem Verhalten von heranwachsenden Wölfen entsprach, die von ihren Eltern beigebracht bekommen, wie man für Nahrung tötet. Nelson hatte nie einen Vogel oder ein Eichhörnchen gefangen, hatte diese Tiere auch nie ernsthaft als Futter betrachtet. Während er an diesem Morgen schnuppernd auf der Suche nach Futter war, hüpfte ein kleiner Vogel in der Nähe vor ihm zwitschernd über den Boden. Ohne nachzudenken, stürzte sich Nelson in Richtung des Vogels. Doch wenn er bisher Jagen gespielt hatte, war niemand bei ihm gewesen, der ihm geholfen hätte, kein älterer Wolf hatte ihn angeleitet, und so kannte er auch die präzisen Bewegungen nicht, die nötig waren, um erfolgreich ein Tier zu töten, das kleiner war als er selbst. Der Vogel entwischte und flatterte davon. Nelson sah ihm nach. Sein Geruch ähnelte dem von vielen anderen Vögeln, die er schon gerochen hatte, doch dies war das erste Mal gewesen, dass eine solche Witterung für etwas Essbares stand. Es war ein seltsames Gefühl für den jungen Hund.
Als zwei spielende Eichhörnchen über den nahe gelegenen, mit Gras bewachsenen Gehsteig huschten, kamen in Nelsons Gehirn ähnlich seltsame Gefühle auf. Die Vorderpfoten fest in den Boden gerammt und mit hocherhobener Rute, starrte Nelson die beiden Eichhörnchen an. Als sie bei ihrem Spiel einen Moment lang innehielten, machte Nelson unbeholfen einen Satz nach vorn, versuchte, sie zu Boden zu drücken. Eines lief sofort davon. Bei dem anderen gelang es Nelson, es kurz mit der Pfote festzuhalten, doch es befreite sich innerhalb von Sekunden wieder. Beide Tiere waren blitzschnell auf einem Baum verschwunden. Und so kam Nelson wieder nicht in den Genuss des rohen Fleisches, das zum ersten Mal in seinem Leben so verführerisch gerochen hatte. Hätte Nelson sein ganzes Leben in einem menschlichen Haushalt gelebt, hätte er lebende Tiere niemals als Futter betrachtet und einfach nur seinen ewig jugendlichen Jagdtrieb ausgelebt, während ihm sein Frauchen tagtäglich sein Futter hinstellte.
In einem Haus in der Nähe war ein Mann gerade damit beschäftigt, sich Eier mit Speck zum Frühstück zuzubereiten. Der Duft wehte aus seinem Küchenfenster heraus, wo Nelson mucksmäuschenstill dasaß. Er winselte und winselte. Irgendwann hörte der Mann, der sein Frühstück verspeiste, den jungen Hund draußen und schaute aus dem Fenster. Doch Nelson bekam Angst und lief davon.
Während Nelson auf der Suche nach Futter langsam die unbekannten Straßen entlangging, fand er wenigstens irgendwann etwas Wasser in Pfützen, das er aufschlabbern konnte. Nach einigen Stunden war er vor Hunger so verzweifelt, dass ihn seine Nase in eine kleine Seitengasse lenkte, in der ein paar Häuser standen. Vor diesem Tag hatte er den Geruch von Abfällen eigentlich nicht mit Futter verbunden. Doch als ihm jetzt die Gerüche aus den Mülltonnen entgegenwehten, die die Gasse säumten, konnte er unter dem fauligen, verdorbenen Geruch, der über allem schwebte, auch ein paar Spuren des Essens erschnuppern, das er liebte, nämlich Reste von Kateys und Dons Tisch. Da war der Geruch von rohen Eiern und Fleischresten und der von anderen Überbleibseln. Er lief auf eine der Tonnen zu und atmete tief ein. Da drinnen war etwas zu essen. Er konnte es riechen. Er wusste, jetzt würde er gleich seinen Hunger stillen können, und dann konnte er sich wieder auf die Suche nach Katey machen.
Doch Nelson war ein kleiner Hund. Er sprang an der Tonne hoch, schaffte es aber nicht bis zum Deckel. Ohne Erfolg versuchte er, die Tonne umzuwerfen, musste aber bald aufgeben.
Ausgehungert lief er von Tonne zu Tonne. Dann endlich, am Ende der Gasse, fand er drei überquellende Mülleimer und eine große schwarze Mülltüte, die danebenstand. Nelson biss in die Tüte, zerriss sie. Dort drinnen war sein Frühstück, das roch er. Er wühlte in den leeren Flaschen, leeren Süßigkeitenverpackungen und anderem Unrat. Dann endlich fand er, was er gesucht hatte. Er fraß asiatisches Hühnchen, das schon eine Woche alt war, dazu altes Brot und ein Stück Hartkäse, auf dem er ordentlich herumkauen musste. Bald war er satt. Vor einem anderen Haus in der Nähe stand ein kaputtes altes Sofa für den Sperrmüll. Nelson sprang darauf und schlief in der warmen Sonne ein.
Am nächsten Morgen fuhr der große Müllwagen
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