Nelson sucht das Glück
Bewerbung, bei der er sich gute Chancen ausgerechnet hatte, in letzter Minute abgelehnt worden war. An diesem Abend sah Nelson mit Erleichterung, wie sie sich umarmten, nachdem Katey ihren Koffer gepackt hatte und durch die Haustür in Richtung Taxi gegangen war.
In der Nacht passierte nicht viel. Don schlief vor dem Fernseher ein, Nelson lag zu seinen Füßen. Am nächsten Morgen war Don schlechter Laune. Nelson beobachtete ihn, wie er duschte, sich rasierte und anzog. Er war sich nicht sicher, doch ihm schien, als legte Don mehr Rasierwasser auf als sonst. Als Nelson ihn anbellte, fuhr Don zu ihm herum und verlor mit dem kleinen Kerl die Geduld. Er sperrte ihn in den Garten hinaus, wo Nelson leise vor sich hinwinselte. Ein paar Momente später brachte ihm Don eine kleine Schüssel mit Futter und starrte finsteren Blickes auf den Hund hinab.
Eine Stunde später kam Don in den Garten. Irgendwie wirkte er großspurig und wütend, und Nelson spürte, dass etwas nicht stimmte. Er bellte Don an, laut und ohne jede Unterwürfigkeit. Auch den Knochen, den Don ihm hinwarf, ignorierte er und bellte weiter. Don schrie den Hund an, beschimpfte ihn, doch Nelson hörte nicht auf zu bellen.
Don ging resigniert nach draußen und schlug das seitliche Gartentor hinter sich zu. Er lief zum Auto und drehte das Radio laut auf. Dann fuhr er zu seiner Freundin davon.
Das Seitentürchen zum Garten wurde mit einem komplizierten Mechanismus verriegelt. Wenn man das Tor sorgfältig zumachte, schob sich ein kleiner Riegel aus Metall vor. Doch an diesem Tag schloss das Türchen nicht richtig, als Don es hinter sich zuschlug. Der Riegel war nicht richtig vorgeschoben, und so stand das Gatter ein paar Zentimeter weit offen. Normalerweise überprüften Katey und Don das Türchen mehrfach, bevor sie weggingen, doch diesmal hatte Don das versäumt. Ein paar Stunden später stieß eine Brise das Tor etwa einen halben Meter auf.
Nelson lag ganz ruhig im Garten, als Don weg war. Er machte sich große Sorgen um Katey, wünschte, sie würde nach Hause kommen. Doch als die Zeit verging, schnüffelte er im Garten herum, so wie er das immer machte. Oft während des Tages lief er zur vorderen Seite des Gartens, um nachzusehen, ob jemand kam, um die Mittagszeit sogar noch häufiger, denn das war die Zeit, in der der Postbote kam. Heute jedoch hatte Nelsons Ausflug zur Vorderseite des Hauses nur einen ausdrücklichen Zweck: Er wollte schauen, ob Katey zurück war. Kam sie endlich nach Hause?
Es verwirrte den jungen Hund, als er sah, dass das Tor offen stand. Normalerweise ging es nämlich nur auf, wenn Katey mit ihm Gassi ging. Er stand ein paar Minuten da, schnupperte aufmerksam. Er roch die vertraute Duftlandschaft ihres Zuhauses, und er roch Katey und Don. Doch die Brise von draußen brachte ganz schwache Düfte vom Fluss herüber, der sich durch Albany schlängelte, ein verlockendes Aroma, das Nelson bereits seit über einem Jahr geschnuppert hatte. Und einen schicksalhaften Moment lang gewann die gewaltige Neugier des jungen Hundes die Oberhand. Vergessen waren Katey und Don und sein Leben hier in dem Haus in Albany. Er wollte wissen, worum es sich bei diesen Düften aus der Ferne handelte. Er wollte das ganze Universum riechen, von dem er wusste, dass es sich da draußen befand. Dieser Drang war stark und überwältigend. Und in diesem einen Moment war er so stark und überwältigend wie Nelsons Gefühle für seine große Liebe.
Nelson ging durch das offene Türchen hinaus, und sein Leben als Vagabund begann.
9
Der kleine Hund lief den Grünstreifen in der Mitte des Boulevards entlang. Auf beiden Seiten von ihm donnerten in hoher Geschwindigkeit Autos vorbei, ihre Hupen jaulten in seinen Ohren. Er keuchte, sein Herz klopfte. Auf dem Gehweg lachten die Kinder aus der nahe gelegenen Highschool über ihn. Einige Erwachsene riefen ihn vom Gehweg aus, wenn sich im Verkehr eine Lücke auftat, doch er hörte nur auf Katey. Tief sog er die kalte Nachmittagsluft ein, suchte schnüffelnd nach ihrer Witterung. Doch sie war weit und breit nirgends zu finden.
Nelsons Nachmittag hatte sehr erfreulich begonnen, als er Katey und Dons Haus verlassen und ungezwungen auf den Straßen herumspazieren konnte, die er zuvor nur an der Leine erlebt hatte. Immer wenn er einer Duftspur genauer nachgehen wollte oder ein verführerischer Geruch ihn in eine unerwartete Richtung lenkte, musste er nicht an seiner Leine ziehen, und da war auch niemand am anderen Ende der
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