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Nelson sucht das Glück

Nelson sucht das Glück

Titel: Nelson sucht das Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Lazar
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durch den Regen lief.
    Adrenalin strömte durch die Adern des kleinen Hundes. Er zitterte vor Kälte, doch in seinem Inneren verspürte er keinen Schmerz. Seine Sinne waren wie überflutet, und er schnupperte heftig. War der Gestank des Todes immer noch irgendwo? War der Gartenduft aus dem Traum der vergangenen Nacht real? Er suchte immer noch nach beiden Gerüchen, und dabei rannte und rannte er, so schnell er konnte, in den grau verhangenen Tag hinein.
    Es wurde Nacht. Nelson befand sich in einer Vorstadt irgendwo in Montana. Der Regen hatte die meisten Witterungen mit sich fortgespült. Nelson fühlte sich auf einmal sehr erschöpft. Während er langsamer wurde, wurde ihm zum ersten Mal die beißende Kälte bewusst, und sein Körper schmerzte, als hätte er Steine auf seinem Rücken. Er blickte in die herannahende Nacht und schnupperte. Ein Gemischtwarenladen ganz in der Nähe war die einzige Lichtquelle. Nelson hielt sich bei der Hintertür auf. Der Besitzer, ein Mann ausländischer Herkunft, brachte gerade den Müll hinaus und sah den kleinen dreibeinigen Hund, der mit fragenden Augen zu ihm hochblickte. Er hatte nichts dagegen, als Nelson in dem Hinterzimmer des Ladens zu Boden sank und sich zitternd vor Kälte in eine Ecke kuschelte, wobei er immer wieder zurückwich, wenn der Mann ihm zu nahe kam. Der Mann besaß selbst Hunde und warf eine alte Decke in die Nähe von Nelson. Während seiner Jugend in einem fernen Land hatte der Mann schon viele dreibeinige Hunde gesehen, und er empfand Mitleid mit dem Tier. In dem Würstchenwärmer im Laden lagen noch zwei übrig gebliebene Hotdogs, und der Mann wusste, dass sie am darauffolgenden Tag nicht mehr gut sein würden. Er schnitt sie also in kleine Stücke und legte sie auf einem Pappteller in die Nähe des Hundes, der sie herunterschlang, sobald der Mann weggegangen war. Der Mann befürchtete, der Hund würde in seinem Hinterzimmer sein Geschäft machen, doch er brachte es einfach nicht übers Herz, den kleinen Streuner wieder auf die Straße zu setzen, und so schloss er ihn in dem Zimmer ein, als er an diesem Abend nach Hause ging, und ließ in einer Ecke eine kleine Lampe brennen.
    Auch nachdem er sein Essen hinuntergeschlungen hatte, zitterte Nelson noch. Doch dann riss die Erschöpfung ihn in einen langen tiefen Schlaf, und er schlummerte immer noch, als der Mann am folgenden Morgen um sechs Uhr kam, um den Laden aufzumachen. Nelson schreckte hoch, als die Tür aufging. Sein Körper fühlte sich überall wund an, aber kalt war ihm nicht mehr. Irgendwie hatten die beiden Hotdogs und die Decke ihn wiederbelebt.
    Als er an diesem Morgen aufwachte, hatte Nelson nur den einen Wunsch: vor allen Menschen davonzulaufen. Das war ein neues Gefühl für ihn, denn menschliche Gesellschaft war ihm immer kostbar gewesen. Doch die Ereignisse der vergangenen Wochen hatten in dem Hund eine tiefe Verunsicherung hinterlassen. Er hatte einem Menschen das Leben gerettet, aber als Folge davon ein Bein verloren. Menschen hatten ihn geheilt, doch danach hatten sie ihn an einen Ort gebracht, wo man ihn töten wollte. Nichts davon ergab einen Sinn, besonders nicht für ein Hundehirn. Den Menschen war nicht zu trauen. Er musste so weit von ihnen weg, wie es nur ging. Wohin er sollte, das wusste er nicht, ebenso wenig, wie er dorthin finden sollte. Doch irgendwie hatte er beschlossen, menschliche Siedlungen und Städte für immer zu meiden und sich einen anderen Ort zum Leben zu suchen.
    Und so hätte er zwar an diesem Morgen warten und darauf hoffen können, dass der Mann aus dem Gemischtwarenladen sich um ihn kümmerte, so wie es schon einige andere Menschen getan hatten. Aber Nelson wartete nicht. Kaum öffnete sich die Tür, lief er hinaus, so wie er einen Tag zuvor aus der Box gelaufen war. Fast wäre der Mann gestolpert, als der dreibeinige Hund zwischen seinen Beinen hindurchflitzte und verschwand. Doch er hatte zu tun und dachte schon bald nicht mehr an das Tier.
    Am Himmel hingen immer noch graue Wolken, aber der Regen hatte nachgelassen, und auf einige der Bäume ringsum schien die Sonne. Ein Mensch hätte in alle Himmelsrichtungen kilometerweit sehen können, da der Regen die Luft gereinigt hatte. Die Sicht war ausgezeichnet. Nelson konnte kilometerweit riechen. Die Luft war frisch und klar, und einzelne Fährten waren für die Nase des Hundes so klar zu erkennen wie Wege oder Straßen.
    Nelson befand sich in den äußeren Bezirken einer Stadt, und der Geruch der Wälder und

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