Nelson sucht das Glück
in der Box und hob schnüffelnd die Nase, fragte sich, wo sein Nachbar geblieben war. Später in dieser Nacht nahm er deutlich die Witterung des anderen Hundes auf, ein Geruch, unter den sich auch der düstere Gestank mischte, den er nicht zuordnen konnte. Er hatte den schwarzweißen Mischling gerochen, als er noch am Leben war, doch Nelson wusste nicht, dass es nun der Geruch des toten Tieres war, der in der Luft lag, nachdem man den Kadaver in dem kleinen Tierkrematorium am anderen Ende des Gebäudes eingeäschert hatte. Als Nelson zum ersten Mal begriff, was es mit dem düsteren Geruch auf sich hatte, ging ein Beben durch seinen ganzen Körper, und er begann unkontrolliert zu zittern. In dieser Nacht hielt ihn die Angst wach. Während die Pitbulls schliefen, ging Nelson am Rand seiner Box auf und ab, sein Körper zitterte vor Adrenalin. Als würde er einem Ritual folgen, blieb er immer wieder stehen und versuchte wie wild, ein Loch in den kalten Steinboden zu graben. Das erschöpfte ihn sehr, und so brach er schnell zusammen, raffte sich jedoch wieder auf, weil der Wunsch, ein Loch zu buddeln, durch das er entkommen konnte, einfach überwältigend war. Gelegentlich wachten die Pitbulls auf und schauten zu Nelson hinüber, schliefen aber rasch wieder ein. Sie wussten, dass die Käfige ausbruchsicher waren.
23
In den siebzehn Jahren, die er in dem Tierheim arbeitete, hatte Eddie schon Tausenden von Hunden das Leben genommen. Begonnen hatte er mit dem Job, als er neunundzwanzig Jahre alt, frisch verheiratet und sehr in seine junge Braut verliebt gewesen war. Damals war bei ihnen ein Baby unterwegs gewesen, und er hatte den Job im Heim als vorübergehende Arbeit betrachtet, etwas, das ihnen half, sich über Wasser zu halten, bis sich eine andere Möglichkeit bot. Damals träumte er davon, selbst ein Geschäft aufzuziehen, eine Autoreparaturwerkstatt oder Ähnliches, und hatte gehofft, in ein paar Jahren dem Heim den Rücken kehren zu können.
Das Baby, ein Junge, kam zur Welt, und es war vom ersten Moment an klar gewesen, dass es sich um ein schwieriges Kind handelte. Ständig schrie es, und oft musste man mit ihm ins Krankenhaus. Eddie behielt seinen Job im Tierheim und suchte sich sogar noch eine Nachtarbeit in einem Gemischtwarenladen, um über die Runden zu kommen. Das schwierige Leben mit dem Kind hatte auch in seiner Ehe deutliche Spuren hinterlassen. In der wenigen Zeit, die sie allein miteinander verbrachten, stritten Eddie und seine Frau hauptsächlich. Zwei Jahre nach der Geburt des Kindes war Eddie einmal unerwartet mitten am Tag nach Hause gekommen und hatte seine Frau in flagranti mit einem anderen Mann erwischt, während das Baby schreiend in seinem Bett lag. Sie behauptete, es sei erst das zweite Mal, dass so etwas vorgekommen war, und er glaubte ihr. Doch zwei Mal waren genug, und Eddie hatte sich nie von dem Treuebruch erholt. Die beiden versuchten, ihre Ehe zu retten, doch sechs Monate später hatte Eddie die Scheidung eingereicht.
Und so hatte er mit seiner Arbeit im Tierheim weitergemacht, und schnell waren sechs, sieben, acht Jahre vergangen. Er hatte graue Schläfen und Geheimratsecken bekommen. Andere Jobs wurden ihm nicht mehr angeboten. Abends war er oft zu müde, um auch nur in Erwägung zu ziehen, sich selbstständig zu machen. Viel Zeit in seinem Leben musste er damit zubringen, die Mittel aufzutreiben, um seinem Sohn die Dinge geben zu können, die er brauchte. Doch so sehr er es auch versuchte, eine emotionale Bindung konnte er nicht zu ihm aufbauen. Die Mutter des Jungen erzählte ihrem Sohn oft genug, wie sehr der Vater sie enttäuscht habe und dass er ein Versager sei. Junge Menschen sind leicht zu beeindrucken, und der Junge glaubte ihr.
Als er noch jung und noch nicht verletzt worden war, hatte sich Eddie schrecklich gefühlt, wenn er wie jeden Freitag diejenigen Hunde im Heim einschläfern musste, die länger als eine Woche dort waren und kein neues Zuhause gefunden hatten. Als er mit seiner Arbeit im Heim angefangen hatte, las er viele Informationen von Tierorganisationen, die erklärt hatten, warum es angesichts der begrenzten Mittel, die den Tierheimen überall in den Vereinigten Staaten zur Verfügung standen, die beste Lösung sei, herrenlose Hunde einzuschläfern. Wenn man sie sich selbst überließ, lebten Streuner ein schreckliches Leben draußen auf den Straßen Amerikas, sie froren und litten Hunger, verbreiteten Krankheiten und stellten oft genug eine Bedrohung für
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