Nelson sucht das Glück
die Menschen dar. Es sei einfach nicht machbar, die Tiere länger als eine Woche in einem Tierheim zu behalten, oder wie auch immer die gesetzliche Regelung vor Ort lautete. Es war traurig, aber wahr: Diesen Tieren das Leben zu nehmen galt angesichts der Umstände als die beste Lösung.
Zuerst hatte Eddie die Aufgabe, die jeden Freitag auf ihn wartete, gefürchtet. Am Donnerstagnachmittag hatte man ihm eine Liste der Hunde gegeben, die eingeschläfert werden mussten. Anfänglich hatte die Liste eine forsche junge Frau namens Holly zusammengestellt, die Tiere aufrichtig liebte und das Einschläfern hasste. Doch sie hatte irgendwann geheiratet und war nach Kalifornien gezogen. Ihre Nachfolgerin Cecilia hatte Eddie nie gemocht. Doch obwohl sie keine sehr zugängliche Person war, wusste Eddie, dass Cecilia bei der Verwaltung des Hundeheims ausgezeichnete Arbeit leistete. In all den Jahren, die er mit ihr zusammenarbeitete, war kein einziges Mal ein Fehler im Papierkram aufgetaucht. Ihre Donnerstagsliste war stets akkurat. Er hatte gelernt, seine Vorgesetzte zu respektieren, sie ließ ihn dafür in seiner finsteren Stimmung allein, und er konnte schalten und walten, wie er wollte.
Generell waren es drei oder vier Hunde, die jeden Freitag eingeschläfert wurden, manchmal mehr, manchmal weniger. Am Anfang hatte Eddie versucht, das Ganze für die Tiere mit etwas Liebe und Würde über die Bühne zu bringen. Er gab den Hunden zum letzten Mal zu fressen und streichelte sie, bevor er ihnen eine Injektion mit Thiopental setzte. Im Laufe der Jahre hatte er jedoch das Gefühl gehabt, es sei einfach nur sinnlos, den Tieren, die er tötete, Liebe entgegenzubringen, denn wenn es tatsächlich einen Hundehimmel gab, würden sie dort noch genug Liebe von Gott erhalten. Und so holte er sie irgendwann einfach nur aus ihrer Box, ging mit ihnen zum Krematorium, das sich gleich neben dem Tierheim befand, und gab ihnen schnell die Giftspritze. Wenn der Hund verendet war, verstaute er ihn in einem grauen Sack, den es extra für diese Verwendung in drei Größen gab. Die großen Hunde waren manchmal etwas schwer hochzuheben.
Nachdem er alle anstehenden Tötungen hinter sich gebracht hatte, machte Eddie meistens eine halbe Stunde Pause, aß ein Brot und trank dazu eine Tasse Nescafé mit zwei Teelöffeln Zucker. Diese Routine hatte er sich gleich zu Beginn seiner Tätigkeit angewöhnt, und zuerst war sie sogar eine Reaktion auf den Tötungsakt gewesen. Dann betete er ein wenig, während er aß und trank, und ging im Kopf all die Argumente durch, die dafür sprachen, dass das, was er tat, nötig war. Doch als seine Ehe in die Brüche gegangen war, war er zunehmend unempfindlich gegen den Tod der Tiere rings um ihn geworden, und er dachte viel öfter an seine Frau und den Jungen, wenn er sein Brot aß und den Kaffee trank. Zu dem Zeitpunkt, als Nelson Insasse des Tierheims wurde, empfand Eddie für die Tiere, die er tötete, rein gar nichts mehr. Das Töten gehörte einfach zu seinem Job.
Nach seiner Pause stapelte er die Kadaver in den Ofen des Krematoriums. Es gab einen Schalter und einen Hitzeregler an der Hinterseite des Ofens, die er bediente, und innerhalb einer Viertelstunde waren die Tiere eingeäschert. Eddie machte sich für ein oder zwei Stunden im Hauptbereich des Heims zu schaffen und putzte die Boxen der Tiere. Wenn die Asche in den Öfen nicht mehr warm war, kehrte er ins Krematorium zurück und schaufelte die Asche in Müllsäcke. Den Geruch hasste er auch nach siebzehn Jahren noch, und er hatte sich angewöhnt, für diesen Teil der Arbeit Nasenstöpsel zu tragen. Ganz am Anfang seiner Zeit im Tierheim hatte er einmal einen Brief an die zuständigen Stellen geschrieben und den Vorschlag gemacht, die Asche der Tiere als Dünger zu verwenden, jedoch nie eine Antwort bekommen. Irgendwann würden die sterblichen Überreste der Tausende von Tieren, die hier getötet wurden, auf einer amerikanischen Mülldeponie landen.
24
Als Cecilia in dieser Woche Eddie ihre Donnerstagsliste überreichte, regnete es. Nelson ließ die beiden nicht aus den Augen. Er wusste nicht, dass sein Name auf der Liste der Tiere stand, die am nächsten Tag eingeschläfert werden sollten. Doch der Geruch des schwarzweißen Mischlings hing Nelson noch von der letzten Woche in der Nase. Während der vergangenen sechs Tage hatte der dreibeinige Hund kaum geschlafen, weil er wusste, dass an diesem Ort irgendetwas unaussprechlich Grauenvolles vor sich ging. Die
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