Nelson sucht das Glück
Wunde von seinem Unfall hatte wieder angefangen wehzutun, doch der düstere Gestank überlagerte das und alles andere auch. Es gab Momente, in denen Nelson am Boden zerstört war. Dann senkte sich unaussprechliche Angst über ihn, und alles kam ihm hoffnungslos vor. Es schien ihm unausweichlich, dass der düstere Gestank des Todes bald auch ihn einhüllen würde. In der Nacht, bevor er sterben sollte, schlief Nelson schließlich doch vor Erschöpfung ein und hatte einen Traum. Er träumte, er befinde sich in einem Garten. Es war ein riesiger Garten voll herrlicher Bäume und Blumen, so wie damals bei Mrs Anderson. Seine große Liebe Katey schwebte um ihn herum, und ihr Duft durchdrang alles. Da war auch der Geruch des Holzes von ihrem Piano, der sich unter einen noch stärkeren Duft mischte – die reiche und konzentrierte Essenz der Tuberoseblüten in den Nächten, wenn sie voll aufblühten. All diese Aromen rund um Nelson waren intensiv und beruhigend. Glücklich und verzückt schwebte er dahin. Als er erwachte, befand er sich in dem trostlosen Heim. Er lag wach, schnupperte, und die Traumlandschaft stand ihm deutlich vor Augen. In diesem Moment war sein Körper von neuem Leben und neuer Kraft erfüllt.
Am nächsten Morgen kam Eddie herein, um den Hunden ihr Frühstück zu geben. Diese Routine befolgte er jeden Morgen, auch am Tag der Tötung. Nelson war hellwach und ließ ihn bei keiner seiner Bewegungen aus den Augen.
Wenn er die Türen der größeren Hunde öffnete, war Eddie immer besonders vorsichtig, weil oft einer von ihnen den Versuch machte, auszubüchsen. Manchmal griff ihn auch einer an. Doch den dreibeinigen Hund kannte er nur als einen Hund, der still dasaß, wenn Eddie den Käfig öffnete, um ihm sein Futter hinzustellen. Als er an diesem Morgen den Käfig öffnete, war er deshalb vollkommen überrumpelt, als der dreibeinige Hund aufsprang und, noch bevor er reagieren konnte, auffallend flink durch das offene Türchen flitzte, zwischen Eddies Beinen hindurch, und zu der Tür des Tierheimbüros rannte. Eddie verfluchte den dreibeinigen Hund, und die anderen Hunde bellten laut.
Als Nelson an diesem Tag aus seinem Gefängnis ausbüchste, war keine Furcht in seinem Herzen, nur das brennende Verlangen, diesen schrecklichen Ort zu verlassen. Adrenalin wurde durch seine Adern gepumpt und zuckte durch seine drei Beine, und er rannte um sein Leben. Er lief aus dem Zwingerbereich bis in den Verwaltungstrakt im vorderen Teil des Gebäudes. Von Cecilias Schreibtisch aus übersah man den gesamten Zwingerbereich, und sie rief nach Eddie, als sie den aufmüpfigen Hund ins Zimmer laufen sah. Die Haustür des Heims war geschlossen, und Nelson suchte nach einem Fluchtweg. Cecilia richtete sich auf und packte einen Besen. In diesem Moment kam Eddie atemlos aus dem Zwinger. Die beiden standen Nelson gegenüber, vollkommen überrascht von der plötzlichen und durchaus beeindruckenden Dreistigkeit des kleinen Tieres. Als sie langsam auf ihn zugingen, knurrte der dreibeinige Hund sie an und bellte dann laut. Eddie war vollkommen verwirrt, weil er das Tier als gefügig und zahm gekannt hatte. Während Nelson ihn anknurrte, bekamen beide plötzlich Angst. Es hatte schon öfter kranke Tiere hier gegeben, und einmal war Cecilia gebissen worden. Cecilia und Eddie wichen zurück. Eddie verschwand hinten im Zwinger, um ein Betäubungsgewehr zu holen. Cecilia schaute Nelson ängstlich an, der ganz in der Nähe der Eingangstür saß, knurrte und alles genau beobachtete.
In diesem Moment, bevor Eddie zurückehren konnte, traf Cecilias Schwester mit Kaffee und Krapfen für ihre Schwester ein. Nelson hörte, wie die Vordertür aufging, und noch bevor Cecilia ihre Schwester warnen konnte, schoss der dreibeinige Hund durch die Tür.
Eddie und Cecilia machten nicht einmal den Versuch, den Hund einzufangen. Draußen regnete es heftig, und sie hatten anderes zu tun. Nelson rannte durch den Platzregen um sein Leben.
25
Zitternd lief Nelson durch den wasserdurchtränkten Tag. Er hatte kein Ziel. Es war die Angst, die ihn antrieb, ein Instinkt, so weit wie möglich von dem Ort des Todes wegzulaufen, an dem er die letzte Woche verbracht hatte. Es waren nur wenige Menschen zu sehen. Da es so heftig regnete, hatten sich die meisten in ihren warmen Häusern oder Büros verschanzt und trösteten sich mit Kaffee und Kuchen, ein paar murrten über die Lecks in ihren Dächern. Nur wenige sahen den dreibeinigen Hund, der, so schnell er konnte,
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