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Nemesis 02 - Geisterstunde

Nemesis 02 - Geisterstunde

Titel: Nemesis 02 - Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
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rasch herum und trat an das Regal, das die Rückwand des Kellers beherrschte.
    Schließlich konnte sie nichts dafür, wenn ich allmählich immer hysterischer wurde.
    Die beiden Frauen folgten mir – und wenn auch nur, weil sie vermutlich keine Lust hatten, allein in der Dunkelheit zurückzubleiben -, und ich hob die Lampe ein wenig höher. Judith stieß einen kleinen, abgehackten Schrei aus, prallte zurück und schlug die Hand vor den Mund. Ich konnte hören, dass Stefan und Carl ihren idiotischen Streit unterbrachen und mit schnellen Schritten herbeieilten. Der Teil in mir, der noch nicht vollkommen hysterisch war, beschloss wieder einmal, etwas zu tun, worin ich eine Menge Übung hatte (nämlich, mich wie ein Idiot zu benehmen), und den Helden zu spielen. Ich hob die Lampe ein wenig höher, streckte den anderen Arm aus und griff tapfer nach dem Objekt, das Judith in so offensichtlichen Schrecken versetzt hatte.
    Es war ein Einmachglas. Passend zum Rest der Einrichtung musste es mindestens fünfzig oder sechzig Jahre alt sein – eines von diesen schweren, aus dickem Glas gefertigten Dingern, auf deren Deckel in erhabener Schrift der Name des Herstellers prangte und die mit einem Gummiring verschlossen waren, der den Inhalt angeblich für die Ewigkeit konservieren sollte.
    Zumindest dieser hier hatte sein Versprechen gebrochen. Das Glas war so schwer, dass ich Mühe hatte, es mit nur einer Hand zu halten, während ich im schwachen Licht der Petroleumlampe versuchte, die verblichene Schrift auf dem Etikett zu entziffern. Was immer einmal in diesem Glas gewesen war – jetzt hatte es sich in eine schleimige, schwarze Brühe verwandelt, die Fäden ziehend an der Innenseite des Glases hinablief, während ich es drehte, und in der formlose, widerliche dunkle Klumpen trieben.
    »Das ist ja ekelhaft«, würgte Judith hervor. Sie kam wieder näher und versuchte zu lächeln, um sich selbst irgendwie über die Peinlichkeit des Momentes hinwegzuretten, aber es misslang kläglich.
    Ich nickte nur zustimmend, drehte das Glas weiter in der Hand und versuchte, die Aufschrift auf dem Deckel zu entziffern. »Hausfrauenstolz«, behaupteten die altmodisch geschwungenen, erhabenen Buchstaben.
    »Das dürfte dann wohl eine glatte Lüge sein«, sagte ich amüsiert.
    »Das kommt auf die Hausfrau an«, antwortete Judith.
    »Du weißt ja nicht, was sie sonst noch so ...«
    Ihre Augen weiteten sich. Verwirrt blickte ich abermals auf das Glas in meiner Hand – und dann keuchte ich ebenfalls erschrocken und ließ es mit einer entsetzten Bewegung fallen. Irgendetwas in der schleimigen Flüssigkeit hatte sich bewegt!
    Das Glas fiel zu Boden, aber es zerbrach nicht. Das Geräusch, mit dem es auf dem harten Stein aufschlug, klang wie das einer massiven Eisenkugel, und ich hörte ein ganz leises Zischen, dem fast unmittelbar ein absolut widerlicher Gestank folgte.
    Trotzdem rollte das Glas noch ein kleines Stück davon und blieb dann äußerlich unversehrt liegen.
    »Was zum Teufel sollte das?«, fragte Stefan.
    Der Gestank wurde noch schlimmer. Das Zischen hatte aufgehört, aber das Glas war jetzt eindeutig nicht mehr luftdicht.
    Judith schlug mit einem angeekelten Laut die Hand vor den Mund und trat einen Schritt zurück, und selbst Stefans Gesicht verlor sichtbar an Farbe, während Maria uns alle abermals überraschte: Zwar ebenfalls mit eindeutig angewidertem Gerichtsausdruck, dennoch aber ohne zu zögern, ließ sie sich in die Hocke sinken und rollte das Glas mit spitzen Fingern weit genug herum, bis sie das verblichene, mit Bleistift geschriebene Etikett lesen konnte. Dann lachte sie leise.
    »Was ist so komisch?«, fragte Stefan.
    »Eingelegte Pflaumen«, las Maria vor. »Mindestens haltbar bis Dezember 1954. Möchte jemand probieren?«
    Sie richtete sich wieder aus der Hocke auf und sah sich um, als erwartete sie allen Ernstes eine Antwort auf diese Frage. Als sie keine bekam, fügte sie mit einer Geste auf das Regal hinzu: »Wir haben auch Birnen, Aprikosen und Apfelmus, falls ihr keine Pflaumen mögt.«
    »Du kannst dieses Gekrakel lesen?«, wunderte sich Judith.
    »Das ist tatsächlich Sütterlin«, erklärte Maria, nun schon wieder mit einem nervösen Unterton in der Stimme, als wäre sie über ihre eigene Courage erschrocken.
    »Benannt nach dem Pädagogen und Graphiker Sütterlin – und lesen ist zu viel gesagt. Aber ich kann ein paar Brocken entziffern.«
    »Dann können wir jetzt ja wohl wieder gehen«, drängte Carl. »Ich nehme

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