Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nemesis 02 - Geisterstunde

Nemesis 02 - Geisterstunde

Titel: Nemesis 02 - Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
schadenfrohes Grinsen. Stattdessen versetzte ich Carl einen Stoß, der ihn als Ersten durch die Öffnung taumeln ließ, bevor er am Ende tatsächlich noch einen Fluchtversuch unternehmen oder irgendeine andere Dummheit machen konnte. Ich war mittlerweile so weit, ihm buchstäblich alles zuzutrauen.
    Anders als in dem Vorratskeller (wo Carl die Lampe wahrscheinlich absichtlich unbrauchbar gemacht hatte, wie ich mittlerweile vermutete) funktionierte hier das Licht. Der Schein einer nackt von der Decke baumelnden Glühbirne riss eine kleine Kammer aus der Dunkelheit.
    Ein Schultisch stand darin, auf dem ein Plastikschnellhefter und ein alter Dolch mit braunem Holzgriff und einer schwarzen Metallscheide lagen. An einer Wand standen verschiedene Werkzeuge ordentlich aufgereiht, ein Vorschlaghammer, eine Spitzhacke, eine Schaufel und anderes mehr. Neben dem Werkzeug standen zwei moderne Handscheinwerfer auf dem Boden, wie sie auf Baustellen verwendet werden.
    »Nun sieh mal einer an«, murmelte ich und warf Zerberus, der in die hinterste Ecke des Raumes zurückgewichen war, einen giftigen Blick zu. Ich zog den Dolch aus der Scheide. MEHR SEIN ALS SCHEINEN war in Großbuchstaben in die Klinge eingraviert. Das Messer war unerwartet schwer und es fühlte sich auf eine fast erschreckende Weise – vertraut an.
    »Unheimlich«, murmelte Maria. Dabei musste sie sich, wie ich fand, von uns allen immer noch am wohlsten hier unten fühlen. War sie nicht immerfort insgeheim auf der Suche nach irgendwelchen Löchern im Boden, die ihr einen Fluchtweg in einen beliebigen Keller, Bunker oder Abwasserkanal boten?
    »Stimmt«, fügte Judith hinzu. »Aber es bringt uns im Moment auch nicht weiter. Ich meine: Bin ich eigentlich die Einzige hier, die nicht vergessen hat, warum wir eigentlich hier heruntergekommen sind?«
    Ich sah sie ein wenig schuldbewusst an. Die ehrliche Antwort auf ihre Frage wäre wohl ein eindeutiges Ja gewesen, und mein schlechtes Gewissen wurde noch stärker, als ich an von Thun dachte, der möglicherweise nur ein paar Meter entfernt dalag und vielleicht genau in diesem Moment starb, während wir hier Indiana Jones spielten. Dennoch sah ich Judith nur verwirrt an, ohne mich zu rühren.
    »Darf ich mal sehen?«
    Fast erschrocken fuhr ich herum und blinzelte Maria verständnislos an. Sie hatte die Hand ausgestreckt und machte eine entsprechende Kopfbewegung zum Messer hin, und ich ertappte mich dabei, es ihr auf gar keinen Fall geben zu wollen. So verrückt der Gedanke war, wich ich doch ganz instinktiv einen halben Schritt vor ihr zurück, und als wäre das allein noch nicht genug, presste ich die antike Waffe eine Sekunde lang schützend an mich; wie Gollum, der endlich seinen Schatz in Händen hält.
    »Den Dolch«, wiederholte Maria und machte auch noch einmal dieselbe auffordernde Geste. Sie wirkte ein bisschen irritiert. Ihrem Blick nach zu urteilen, hielt sie mich in diesem Moment wohl auch tatsächlich für Gollum, ganz kurz bevor er Frodo den Finger abbeißt. »Darf ich mal sehen?«
    »Nein«, antwortete ich fast hysterisch. Sehen war etwas, was man mit den Augen tat. Nicht mit der Hand. Ich wollte ihr das Messer nicht geben. Aber natürlich tat ich es doch, wenn auch erst nach einigen Sekunden und deutlich widerstrebend. Maria nahm den Dolch entgegen und drehte ihn äußerst behutsam in den Fingern. Der Blick, mit dem sie mich dabei maß, brachte mich dazu, mich hastig herumzudrehen und nach dem Schnellhefter zu greifen, der auf dem Tisch lag. Er enthielt ein gutes Dutzend Plastikhüllen, in denen Zeitungsausschnitte, herausgerissene Illustriertenseiten und kleine, mit einer fast unleserlich krakeligen Handschrift bedeckte Zettelchen steckten.
    »Was hast du da gefunden?«, erkundigte sich Judith.
    Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um über meine Schulter hinwegzublicken.
    Ich antwortete nicht sofort, sondern blätterte den Hefter mit einem Gefühl wachsender Ratlosigkeit durch. Die meisten Ausschnitte, die er enthielt, waren uralt, mindestens so alt wie wir, wenn nicht älter.
    »Irgendwelches Nazi-Zeug«, murmelte Stefan. Auch er stand hinter mir, musste sich allerdings nicht auf die Zehenspitzen stellen, um etwas zu erkennen. Er sah flüchtig zu Carl hin. Der hatte sich nicht gerührt, stand aber nun mit trotzig vor der Brust verschränkten Armen gegen die Wand gelehnt da und versuchte so demonstrativ gelangweilt und unwissend auszusehen, dass es schon fast lächerlich wirkte.
    »Hier.« Stefan hielt

Weitere Kostenlose Bücher