Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nemesis 02 - Geisterstunde

Nemesis 02 - Geisterstunde

Titel: Nemesis 02 - Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
hatte.
    An erster Stelle befand sich das Bild, auf dem die Männer in den Laborkitteln abgebildet waren, an letzter das Polaroidbild von dem Empfang. Nun endlich fiel mir der Name des Politikers wieder ein, der einem festlich gekleideten lächelnden Grauhaarigen mit einem zufriedenen Ausdruck im Gesicht die Hand schüttelte: Es war Franz Josef Strauß. Er war ausschließlich auf diesem einen Bild zu sehen. Zwischen den Klassenfotos, die den Rest der Reihe bildeten, entdeckte ich das Ausflugsfoto der Pfadfindertruppe mit ihrem Leiter, das vor einem Waldlokal aufgenommen worden war.
    »Frank?« Es war Judiths Stimme, die unsicher aus dem Erdgeschoss zu mir heraufschallte. Ich hörte Schritte auf der Treppe, und einen kurzen Moment später nahm ich aus den Augenwinkeln wahr, wie der grelle Strahl einer Taschenlampe fast brutal durch die Dunkelheit im oberen Flur schnitt. »Frank? Bist du hier? Ist alles in Ordnung bei dir?«
    »Ich ... ja«, antwortete ich zögernd, gab mir einen Ruck und griff nach den Bildern, um sie zu einem Stapel zusammenzuschieben. Plötzlich erstarrte ich mitten in der Bewegung. Eines der Klassenfotos hatte sich verändert.
    Jemand hatte sieben Köpfe von Kindern und den des dazugehörigen Lehrers eingekringelt.
    Eines der Kinder war das Mädchen aus meinem Traum.
    Für einen kleinen Augenblick setzte mein Herzschlag aus. Ich kniff die Augen zu schmalen, aufmerksamen Schlitzen zusammen und starrte auf den Tisch vor mir hinab. Es war unmöglich, und trotzdem bestand überhaupt kein Zweifel: Miriam. Das dunkelhaarige Mädchen inmitten all der Blondschöpfe war ganz eindeutig Miriam!
    Judith erschien hinter mir im Türrahmen und blendete mich mit dem Strahl ihrer Lampe, als ich mich zu ihr herumdrehte. »Was tust du denn hier?«, fragte sie. Aus ihrer Stimme klang deutliche Sorge. Der Ärger, den sie über mich empfunden hatte, war vollständig daraus verschwunden. Die zweite Möglichkeit, mit enttäuschten oder anderweitig gekränkten Frauen umzugehen, fiel mir in dieser Sekunde ein, bestand darin, sie ein wenig in Sorge zu versetzen. Das war nicht meine Absicht gewesen, aber es war auch keineswegs so, dass ich diesen Umstand nicht etwa begrüßte. »Hast du etwas gefunden?«, fragte sie.
    »Nein.« Ich schüttelte heftig den Kopf und wandte mich mit tränenden Augen wieder um. Hastig raffte ich die Bilder zusammen und steckte sie ein. »Zumindest keinen Ausgang. Und ihr?«
    »Nichts«, antwortete Judith und hob hilflos die Schultern. »Vielleicht hatten die anderen ja mehr Glück. Gibt es hier wenigstens ein Telefon?«, fragte sie wenig hoffnungsvoll.
    Ich ließ kopfschüttelnd den Blick durch den Raum schweifen. »Nein«, seufzte ich. Dann bemerkte ich eine Anschlussbuchse in der Nähe des Schreibtisches. »Einen Anschluss, mehr nicht. Und ich glaube auch nicht, dass er uns etwas nützen würde, wenn wir tatsächlich ein Telefon hätten.«
    Judith nickte traurig. »Komm«, sagte sie und wandte sich zum Gehen. »Carl wartet unten im Hof. Es ist schon kurz vor eins. Wir sollten längst zurück sein.«
    Wir waren die Letzten, die in die Küche zurückkehrten, und Ellens angespannte Haltung, in der sie uns zusammen mit Ed und Maria erwartete, machte uns deutlich, dass sie bereits drauf und dran gewesen waren, nach uns zu suchen. Als wir den spärlich eingerichteten, hell erleuchteten Raum schließlich nacheinander betraten, verriet Marias Blick Erleichterung. Ed rümpfte die Nase und betrachtete uns mit einer herablassend hochgezogenen Braue.
    »Unsere verlorenen Söhne und ihr kleines Schwesterchen«, spottete er. »Wo habt ihr euch denn rumgetrieben? Wir hatten doch ausgemacht, dass Ausflüge in die Stadt oder in den Zoo heute Abend höchstens noch mit Sondererlaubnis und Unterschrift der Erziehungsberechtigten drin sind.«
    »Wir waren nur kurz in der Apotheke und haben uns einen Großvorrat Ohropax besorgt, um von deinem dämlichen Geschwafel verschont zu bleiben.« Judith verdrehte die Augen und wandte sich Maria und Ellen zu.
    »Nichts«, seufzte sie. »Carl hat Recht: Der Turm ist tatsächlich nicht begehbar. Zumindest nicht vom Hof aus.
    Das Lehrerhaus ist seit Ewigkeiten verlassen. Es gibt einen Telefonanschluss, aber keinen Apparat.«
    »Verdammt.« Ellen schnaubte und ließ sich auf einen der billigen Plastikstühle fallen. »So ähnlich sieht es im Rest dieser Bruchbude auch aus.«
    »Dann bleibt uns wohl tatsächlich nichts anderes übrig, als uns die Nacht hier um die Ohren zu schlagen

Weitere Kostenlose Bücher