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Nemesis 02 - Geisterstunde

Nemesis 02 - Geisterstunde

Titel: Nemesis 02 - Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
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unter meiner Zunge lief bittere Galle zusammen.
    »Im Klartext«, wandte sich Stefan abermals an Carl.
    »Wollen Sie uns erzählen, dass wir hier gefangen sind?«
    »So dramatisch würde ich es nicht ausdrücken«, antwortete Carl. »Aber im Moment sitzen wir fest. Das stimmt. Aber bestimmt nicht lange«, fügte er fast hastig hinzu, als Stefans Blick noch einmal um mehrere Nuancen dunkler wurde. »Allerhöchstens für ein paar Stunden.«
    »Wieso?«, fragte Ellen.
    »Morgen früh um acht kommt ein Catering-Service, um Ihnen Frühstück zu bringen«, antwortete Carl. »Spätestens die werden den Wagen entdecken und Hilfe rufen.
    Wir müssen nur am Tor auf sie warten.«
    »Um acht?« Ellen leerte ihr Glas mit einem Zug und sah demonstrativ auf ihre Armbanduhr, die vermutlich mehr gekostet hatte, als der Rest von uns in einem Monat verdiente. Dann blickte sie zu Ed hin. »So lange können wir nicht warten.«
    »Ich denke, es geht ihm gut?«, fragte Judith.
    »Den Umständen entsprechend, ja«, erwiderte Ellen ruhig. »Aber ich habe keine Röntgenaugen, weißt du? Er könnte innere Verletzungen haben. Schon mal davon gehört?« Sie schüttelte energisch den Kopf, als Judith erneut widersprechen wollte. »Nicht, dass ich mich in den letzten zwanzig Minuten unsterblich in diesen Idioten verliebt hätte – aber im Augenblick ist er vor allem mein Patient.«
    »Zu siebzehn Prozent oder zu hundert?«, wollte Judith wissen.
    Ellen ignorierte sie und wandte sich mit einem fragenden Blick erneut an Carl. »Sie sind sicher, dass es keinen Hinterausgang oder so was gibt?«
    »Ganz bestimmt nicht«, versicherte Carl. Er lachte leise. »Wenn, dann hätten die Gören aus dem Internat ihn ganz bestimmt gefunden.«
    »Aber irgendwie müssen wir hier raus«, beharrte Ellen.
    Sie deutete auf den bewusstlosen Ed. »Wenn er stirbt, dann werden eine Menge Leute eine Menge sehr unangenehmer Fragen stellen. Übrigens auch an Sie«, fügte sie mit einem Blick auf Carl hinzu.
    »Und nicht zu vergessen – an von Thun«, sagte Ellen in fast gelangweiltem Ton.
    »Aber es war doch ein Unfall«, murmelte Maria.
    Ellen blickte stirnrunzelnd in ihr Glas, auf dessen Boden eine braune Brühe zurückgeblieben war, in der winzige weiße Krümel schwammen. Schließlich schwenkte sie es ein paarmal hin und her, zuckte mit den Achseln und stürzte auch den letzten Schluck mit einem einzigen Zug hinunter. Das flaue Gefühl in meinem Magen nahm noch zu. »Ich denke ja nur laut«, sagte sie.
    »Also, wenn mir jemand diese Geschichte erzählen würde ...« Sie beendete den Satz mit einem Achselzucken, aber jeder im Raum verstand, was sie meinte. Ob Ed nun einem heimtückischen Anschlag zum Opfer gefallen war (obwohl ich das uneingeschränkte Copyright auf diese Idee hatte, kam sie mir mit jedem Moment absurder vor) oder es tatsächlich nur eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen war, ließ sich relativ leicht herausfinden. Aber zwei Unfälle an einem Tag waren vielleicht ein bisschen viel. Vor allem, wenn eines der Opfer genau der Mann war, der uns keine zwei Stunden zuvor erklärt hatte, dass zwei von uns diese Burg als sehr, sehr reiche Menschen verlassen würden ...
    »Warum schlagen wir nicht einfach zwei Fliegen mit einer Klappe?«, fragte Judith. »Gehen wir nach unten und suchen nach von Thun. Vielleicht finden wir ihn ja.
    Und wenn nicht, dann vielleicht wenigstens einen Ausgang.«
    Die Aussicht auf eine Expedition in die dunklen Kellergewölbe (hatte Carl nicht gerade etwas von einsturzgefährdet gesagt?) begeisterte mich nicht unbedingt und ich machte auch keinen Hehl daraus. Aber die Alternative wäre gewesen, allein mit Ellen hier zurückzubleiben; Judith und zu meiner Überraschung sogar Maria schlossen sich Carl und Stefan sofort und ohne auch nur eine Sekunde zu zögern an – entweder, die beiden hatten zu viele Indiana-Jones-Filme gesehen, oder ihnen war die Vorstellung, allein mit Ellen hier zu bleiben, genauso unangenehm wie mir. Vielleicht war auch alles einfach besser, als nur tatenlos hier herumzusitzen und darauf zu warten, dass die Nacht vorbeiging oder wir alle einen Lagerkoller bekommen und uns gegenseitig an die Kehle gehen würden. Oder Ed starb.

Die Einzige, die zurückblieb, war Ellen; vorgeblich, um sich weiter um Ed zu kümmern, sollte er erwachen, aber in Wahrheit wohl eher, weil sie es für unter ihrer Würde erachtete, in schmutzigen Kellerräumen herumzukriechen. Unvorstellbar, wenn ihr einer ihrer sorgsam

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