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Nemesis 02 - Geisterstunde

Nemesis 02 - Geisterstunde

Titel: Nemesis 02 - Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
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gestopftes Gewölbe voller Spinnweben, Schmutz und Schimmel erwartet, doch das genaue Gegenteil war der Fall: ein langer, ganz offensichtlich erst in jüngster Vergangenheit renovierter Korridor, dessen Wände sorgfältig verputzt und weiß gestrichen waren, der allerdings breit genug war, schon wieder fast ein kleiner Saal zu sein. Der Boden bestand nicht aus glitschigem Kopfsteinpflaster, sondern war penibel betoniert. Die Luft war ein wenig feucht, aber der sonderbare Geruch, der mir in die Nase stieg, war nicht der von Moder und Verfall, sondern ganz typisch für eine Baustelle: frischer Beton und Holz und Farbe. Dieser Keller passte so wenig zu dem Gebäude, unter dem er lag, wie Carls Behauptung, er wäre baufällig und er selbst käme nur selten hier herunter.
    »Baufällig, wie?«, fragte Stefan.
    »Das täuscht«, erwiderte Carl. »Dieser Teil ist vor zwei Monaten erst renoviert worden – gerade weil er in einem so schlechten Zustand war. Der Rest ist eine Katastrophe.«
    Stefan zog vielsagend die linke Augenbraue hoch, enthielt sich aber jeden Kommentars, und auch ich verzich-tete darauf, noch einmal nachzuhaken. Der Geruch hier unten war vielleicht nicht wirklich unangenehm, aber er tat meinen Kopfschmerzen auch nicht gerade gut. Seit wir die Treppe heruntergekommen waren, begannen sie wieder schlimmer zu werden.
    Stefan drehte sich langsam einmal um sich selbst, wobei sein Blick aufmerksam über die frisch gestrichenen Wände und die ebenso frisch gestrichenen gleichförmigen Türen tastete. Seine Augen wurden schmal.
    Schließlich blieb er in die Richtung gewandt stehen, in der auch ich den Burghof vermutete. Ganz sicher war ich allerdings nicht. Von der Tür aus waren wir nach links gegangen, dann noch einmal scharf abgebogen und durch die Treppe und ... Nein, das hatte keinen Zweck. Mein Orientierungssinn war noch niemals besonders ausgeprägt gewesen und hier ließ er mich offensichtlich vollkommen im Stich. Ich musste mich darauf verlassen, dass Stefans Talent als Pfadfinder dem meinen überlegen war.
    »Dort.« Stefan deutete – nicht ganz so sicher, wie ich es gerne gehabt hätte – nach links. Unglückseligerweise führte der Korridor in die andere Richtung, aber es gab zumindest eine Tür. »Was ist da?«
    Carl hob in einer trotzig wirkenden Geste die Schultern.
    »Ein paar Räume voller Spinnweben und Gerümpel«, antwortete er. »Verdammt, hier unten ist nichts. Schon gar kein Ausgang.«
    »Und warum sind Sie dann so versessen darauf, dass wir es uns nicht ansehen?«, fragte Stefan.
    Carls Gesicht verdüsterte sich noch weiter.
    »Blödsinn!«, antwortete er. »Ich habe keine Lust, mir den Hals zu brechen, das ist alles. Aber macht doch, was ihr wollt. Beschwert euch bloß hinterher nicht bei mir.«
    Er drehte sich mit einem Ruck herum und eilte zu der Tür, auf die Stefan gedeutet hatte. Als Nächstes, überlegte ich, würde er vermutlich behaupten, keinen Schlüssel dafür zu besitzen, aber auch das würde ihm nicht viel helfen. Die Türen machten einen stabilen Eindruck, waren aber trotz allem nur aus Holz, und ich hätte sogar mir zugetraut, sie aufzubrechen. Womöglich kam Carl auf dem Weg dorthin zu demselben Schluss, denn er griff in die Hosentasche, förderte einen Bund mit mindestens zwanzig gleich aussehenden Schlüsseln zutage und klimperte einen Moment damit herum, bis er den richtigen gefunden hatte. Die Tür sprang auf und bewegte sich lautlos auf gut geölten Angeln, gerade als wir neben ihm ankamen. Dahinter lag absolute Dunkelheit. Das Licht hatte sie nicht wirklich vertrieben, sondern nur hierher zurückgejagt.
    »Gibt es kein Licht?«, fragte Stefan. Keiner von uns rührte sich. Carl sah ihn einen Moment lang trotzig an, dann aber hob er die Schultern, drehte sich wortlos herum und verschwand hinter einer Tür auf der anderen Seite des Korridors. Er blieb auch jetzt wieder gerade lange genug weg, um mich zu beunruhigen, doch als er zurückkam, schwenkte er eine altmodische Petroleumlaterne in der Hand. Irgendwann musste sie einmal grün gewesen sein, bestand jetzt aber hauptsächlich aus Rost.
    Ihr Glaskolben war an einer Stelle gesprungen und so schmutzig, dass es mir zweifelhaft erschien, ob man mit dieser Lampe irgendwo nennenswert Licht machen konnte.
    »Kein Strom?«, fragte Stefan. Auch er klang ein ganz kleines bisschen nervös.
    »Ich habe doch gesagt: Sie haben gerade erst angefangen, den Schuppen zu renovieren«, antwortete Carl. »Hat jemand Feuer?«
    Judith

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