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Nemesis 03 - Alptraumzeit

Nemesis 03 - Alptraumzeit

Titel: Nemesis 03 - Alptraumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
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Burg – ich konnte die Konturen des Lehrerhauses schräg unter mir erkennen und auch die des Hauptgebäudes zeichneten sich in einiger Entfernung schwach, aber eindeutig ab. Nirgendwo brannte Licht, Niemand würde unsere Schreie hören, und wenn, dann erst viel zu spät. Wir waren allein mit einem blutrünstigen Mob von Dämonen, die in kindlichen Körpern steckten, waren ihnen hilflos ausgeliefert in der Spitze eines Turmes, der nicht über Fenster und ein Dach verfügte, wie ich das aus der anderen Wirklichkeit in Erinnerung hatte (ich konnte nicht mehr unterscheiden zwischen Traum und Realität, sondern lediglich zwischen zwei Wirklichkeiten), sondern nur über kaum mehr als hüfthohes, mit Zinnen und Schießscharten versehenes, fast meterdickes Mauerwerk.
    Das erste Kind schloss zu uns auf. Jedenfalls glaubte ich im ersten Augenblick, dass es ein Kind war – die schnellen, leichtfüßig trippelnden Schritte, mit der die Gestalt die letzten Stufen zu uns zurücklegte, klangen, als stammten sie von einem solchen.
    Aber es war kein Kind. Es war Maria.
    Ein überraschter Laut hüpfte über meine Lippen, als ich sie erkannte, aber meine Überraschung wurde schnell verdrängt von der Angst, von der Panik, die unverzüglich wieder an ihre Stelle trat.
    » Du gehörst hier nicht hin. « Maria war die erwachsene Frau, die ich in Crailsfelden kennen gelernt hatte, sie trug dasselbe, einfarbige Tweedkostüm, die ganz und gar unpassenden Wanderschuhe und hatte sich um keinen Deut verändert. Aber ihre Stimme war die eines Kindes.
    Hell, klar und unausgereift, nichtsdestotrotz aber erschreckend entschlossen und bedrohlich. In ihren Augen funkelte reine Bosheit. » Du wirst verschwinden « , sagte sie an Miriam gewandt mit fester Stimme. » Sofort. «
    Miriam blickte zu mir auf. Ihre Wangen waren schmutzig, zerkratzt und tränennass und in ihren großen, befremdlich wirkenden, aber trotzdem wunderschönen, exotischen Augen standen Angst und abgrundtiefe Verzweiflung, untermalt von Unglauben über so viel Grausamkeit und einem winzigen Fünkchen Hoffnung, das aber in diesen Sekunden endgültig erlosch. Als sie die Umklammerung um meinen Oberkörper löste und ihre kleinen, zierlichen Hände sachte über meine Handrücken glitten, ehe sie einen winzigen Schritt von mir zurückwich, wusste ich, dass etwas Schreckliches geschehen würde, etwas unsagbar Grauenhaftes. Sie wandte sich um und trat auf die Zinnen zu. Ich begriff nicht wirklich, was sie vorhatte – der Gedanke war zu grauenvoll, als dass ich ihm erlaubte, in mein Bewusstsein vorzudringen. Aber ich verstand, dass ich etwas tun musste, dass ich ihr nacheilen und sie aufhalten musste, ehe es zu spät war.
    Ich löste mich aus der Erstarrung, in die ich verfallen war, schrie ihren Namen und machte einen Satz in ihre Richtung, aber sie drehte sich nicht einmal zu mir um.
    Hinter mir erklangen Stimmen, Kinderstimmen.
    » Du bleibst bei uns « , hörte ich sie sagen.
    Ich gehorchte ihnen.
    Plötzlich veränderte sich alles um mich herum. Ähnlich der Staubwolke von Steinen und Geröll, die mir im Keller die Sicht genommen hatte, hüllte mich nun eine ganz andere Wirklichkeit ein: unser Fluchtort oben im Turm, Miriam und Maria, der Nachthimmel und die weitere Umgebung, die ich hatte wahrnehmen können. Doch auch dieses Bild löste sich langsam auf, verlor an Schärfe, bis es dem finsteren Aquarell eines suizidgefährdeten, paranoiden Künstlers glich. Dann zerfiel es in seine molekularen Bausteine, die einen wirren Tanz miteinander aufführten und sich mit den grünen, braunen, gelben, weißen und blauen Farbpartikelchen auf dem farbenfrohen Gemälde eines Landschaftsmalers vermischten.
    Einen Moment lang wirbelte die Wolke aus Farben und konturenlosen Formen um mich herum, dann setzte sie sich zu einem neuen Bild zusammen.
    Der Wind ließ nach, bis nicht mehr als eine sanfte Brise zurückblieb, die das herbstlich bunte Laub der Bäume, zwischen denen ich mich plötzlich befand, leise rascheln ließ. Die harten Steinquader des Turms, auf dem ich mich gerade noch befunden hatte, wandelten sich zu weichem, rötlich-braunem Waldboden, auf dem die gelb-orange-farbenen Strahlen der tief am Himmel stehenden, ungewöhnlich warmen Herbstsonne einen fröhlichen Tanz vollführten. Vögel zwitscherten.
    Dennoch entbehrte das Bild, das sich mir bot, jeglicher Romantik. Ich war nicht allein: Fünf Kinder – zwei Jungen und drei Mädchen – hatten sich im Kreis um mich herum versammelt,

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