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Nemesis 03 - Alptraumzeit

Nemesis 03 - Alptraumzeit

Titel: Nemesis 03 - Alptraumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
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maßen mich mit eindringlichen Blicken und rückten in dieser Sekunde gleichzeitig einen kleinen Schritt näher an mich heran. Sie trugen identische Pfadfinderuniformen und alberne rote Halstücher.
    Alle hatten blondes Haar – die Jungen kurz geschnitten, die Mädchen zu langen Zöpfen geflochten.
    Es waren die Kinder von dem Foto!
    Erschrocken und verwirrt blickte ich mich in meiner neuen Umgebung aufmerksam um. Es waren nicht nur die Kinder, die ich auf einem der Bilder in Sängers Geheimfach gesehen hatte: Ich selbst befand mich ebenfalls in der Realität dieses Fotos! Das Waldlokal, der Lkw, die BMW Isetta – alles war genau dort, wo ich es von dem Foto her in Erinnerung behalten hatte. Einige Schritte von dem Lkw entfernt entdeckte ich den Mann in der lächerlichen Pfadfinderuniform, der mit den Kindern vor der Kamera posiert hatte, konnte sein Gesicht aber nicht erkennen, denn er hatte den Kindern und mir den Rücken zugewandt und bemerkte nicht oder interessierte sich nicht dafür, was sich hinter ihm abspielte. Ich blickte an meiner eigenen Person hinab und stellte fest, dass ich nach wie vor erwachsen war. (Nach wie vor? Das stimmte nicht. Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, glaubte aber, vor wenigen Augenblicken im Turm noch in einem kindlichen Körper gesteckt zu haben.) Verrückterweise hemmte diese Feststellung die plötzlich wieder aufkeimende Furcht vor den Kindern, die mich umringten, keinen Deut. Sie erinnerten mich an eine Szene aus einem absurden Science-Fiction-Thriller, den ich irgendwann einmal gesehen hatte: Er hatte irgendetwas mit kleinen blonden, von boshaften Aliens gezeugten Kindern zu tun gehabt, die ein englisches Dorf tyrannisierten.
    Mein Herzschlag beschleunigte sich wieder.
    Einer der beiden Jungen, ein hageres Kerlchen, das mir irgendwie bekannt vorkam (was seine Ursache aber durchaus darin haben konnte, dass ich ihn wie alle anderen Kinder auf dem Foto gesehen hatte), löste sich aus dem Kreis und trat auf mich zu.
    » Mein Großvater findet, du hast dir eine Auszeichnung verdient, weil du weißt, wohin du gehörst « , sagte der Knabe.
    Falsch: Seine Lippen bewegten sich, und es waren seine Stimmbänder, die die Laute hervorbrachten und sie mit Hilfe seiner Zunge, seines Atems und der Bewegung seines Kiefers zu Worten formten. Aber es war nicht seine Stimme. Der Junge mochte zwölf, vielleicht dreizehn Jahre alt sein. Seine Stimme jedoch war die eines Mannes, der die Pubertät hinter sich gelassen und die dreißig überschritten hatte. Ich kannte sie. Es war Eds Stimme!
    So wie kurz zuvor Maria in ihrer erwachsenen Gestalt vor mir gestanden und mit der Stimme eines Kindes zu mir gesprochen hatte, stand mir nun umgekehrt ein Kind gegenüber, das mich zweifellos mit der Stimme eines Erwachsenen, mit Cowboystiefel-Eduards Stimme, ansprach. Der Junge streckte den Arm aus und drückte mir etwas Kaltes, Hartes in die Hand. Langsam, wie in Trance, wanderte mein Blick auf den Gegenstand zwischen meinen Fingern hinab: MEHR SEIN ALS SCHEINEN. Eine rasiermesserscharfe Klinge blitzte gefährlich im Licht der untergehenden Sonne auf. Es war der Napola-Dolch, den der Knabe mir da überreichte.
    Die Waffe, mit der Stefan ermordet worden war.
    » Du weißt doch, wohin du gehörst? « Eds Stimme klang befehlend, erwartete nur eine einzige Antwort zur Bestätigung seiner Autorität und meiner Ergebenheit.
    Das hässliche Gekicher einer Spottdrossel unterbrach den Gesang der Vögel. Stefans Stimme wurde schrill, als ich nicht antwortete, und er wiederholte seine Worte, diesmal lauter: » Du weißt, wohin du gehörst, oder?! «
    Dieses Mal hatten die Bilder sich nicht langsam aufgelöst und zu einer neuen Szenerie zusammengesetzt und sie waren auch nicht von schlichter Schwärze und wohltuendem, traumlosem Schlaf abgelöst worden. Ich erwachte ruckartig, von einer Sekunde zur nächsten, aus meinem Alptraum und sah mich urplötzlich mit der kaum weniger grauenhaften Realität konfrontiert. Ich kauerte orientierungslos im Dunkeln, atmete schnell und schwer und fror erbärmlich in meinen schweißnassen Kleidern.
    Selbst meine Seiten schmerzten noch immer, als hätte ich gerade einen mittleren Marathonlauf zurückgelegt.
    Oder eine Hetzjagd überstanden.
    Ich wischte den Gedanken beiseite und bemühte mich angestrengt, meine Erinnerungen nach den Geschehnissen vor meinem Zusammenbruch zu durchforsten, stieß zunächst aber nur auf vereinzelte Details, die sich nur langsam zu einem

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