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Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Titel: Nemesis 04 - In dunkelster Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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bereits zu funktionieren: Ellens Blick wanderte einen kleinen Moment irritiert zwischen dem Wirt mit den auf dem Rücken gefesselten Händen und dem Nazi-Dolch in meiner Hand hin und her, dann trat ein Ausdruck von Mitleid und, wie ich zu erkennen glaubte, auch Ärger auf ihr Gesicht, und sie winkte uns mit einer energischen Handbewegung in das Zimmer, das sie mit Stefan geteilt hatte und in dem sie mit Judith auf uns gewartet hatte.
    Als ich an ihr vorbei trat, bemerkte ich, wie mich ein eisiger Blick der Rothaarigen streifte, und im ersten Moment schob ich ihren offensichtlichen Unmut auf mein unnötig gemeines, nahezu menschenverachtendes Verhalten Carl gegenüber zurück, aber dann ertappte ich mich dabei, dass ich von der ersten Sekunde an, in der ich den Raum nach dem Wirt betreten hatte, auf das zerwühlte Bett gestarrt hatte, das ein perfekter Klon dessen war, in welchem ich mich mit Judith vergnügt hatte.
    Stefan ... Was Ellen wohl für ihn empfunden hatte?
    Stand sie wirklich auf garderobenschrankförmige Typen mit streichholzkopfkurz geschnittenem Haar, die sich ausschließlich von Anabolika und rohem Eiweiß ernährten, oder war er für sie nur Mittel zum Zweck gewesen?
    Stand ich auf dickliche Frauen, die keine Büstenhalter trugen? War es wirklich so, dass wir alle der unsäglichen Forderung des alten Rechtsanwaltgehilfen nachgekommen waren, weil die Kruste aus Stolz und Selbstachtung sich als erstaunlich dünn erwies, wenn der Einsatz nur hoch genug war? Ich fühlte mich wie die Prostituierte, als die Ellen in diesem Moment vor meinen Augen dastand.
    Auf dem zweiten, schmalen Bett lag Judith. Es sah nicht so aus, als ob Ellen sie bereits großartig behandelt hätte. Ellen hatte ihr einen Gürtel um den Oberarm gebunden, sodass das Blut nicht mehr so schnell aus der Wunde sickerte, aber Judiths Gesicht war kreidebleich.
    Die winzigen Schweißperlen auf ihrer von Blut und Schmutz aus dem Keller verdreckten Stirn verrieten mir, dass sie ein wenig Fieber haben musste, denn es war zwar nicht unangenehm kalt im Raum, aber auch nicht besonders warm. Außerdem wirkte ihr Blick ein wenig glasig und trüb.
    Ellen sog deutlich hörbar Luft durch die Nase ein, als der Wirt an ihr vorbei trat. »Du solltest unter die Dusche, Carl«, sagte sie und wich einen unübersehbaren Schritt vor ihm zurück.
    Carl senkte beschämt den Blick und zog eine Grimasse, als ob Ellen ihn geohrfeigt hätte. »Glaubt ihr vielleicht, es wäre mir egal, wie ich stinke?« Er schlug wieder einen weinerlichen Tonfall ein und hob vorwurfsvoll seine auf dem Rücken zusammengebundenen Arme ein Stück weit an. »Aber wie soll ich so duschen? Und meine Kleider sind hoffnungslos eingesaut. Frank spielt hier den Überheblichen, aber ich wette, wenn er erlebt hätte, was mir widerfahren ist, dann hätte er sich auch in die Hose gemacht. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie das ist!«
    »Wir haben später Mitleid, wenn wir keine anderen Sorgen mehr haben«, antwortete Ellen kühl und deutete mit einem Nicken auf Stefans Tasche, die offen vor dem schlichten Spind stand, wie auch in meinem Zimmer einer angebracht war. Ihre Stimme kippte bei den letzten Worten in eine schrille Tonlage. »Er wird nichts mehr dagegen haben.«
    Ellen presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und drehte den Kopf schnell so, dass niemand von uns mehr ihr Gesicht sehen konnte. Ein, zwei Mal atmete sie tief ein und aus, und als sie sich wieder in unsere Richtung wandte, hatte sie sich wieder vollständig unter Kontrolle – nach außen hin zumindest.
    Judith krümmte sich zitternd auf dem Bett nach vorne.
    Offensichtlich war das Fieber wesentlich stärker, als ich auf den ersten Blick geglaubt hatte, sodass sie bereits von den ersten Fieberkrämpfen geschüttelt wurde.
    »Was ist mit Judith?«, fragte ich aufgebracht an Ellen gewandt. »Warum behandelst du sie nicht?«
    »Ich habe den Arm abgebunden«, antwortete die Ärztin sachlich. »Bevor ich ihn mir gründlicher ansehe, sollte sie aber sauber sein. Sie ist zu schwach, um aus eigener Kraft zu duschen. Sie braucht jetzt deine Hilfe.« Ich fragte mich, warum Ellen die Zeit, die ich mit Carl im Untergeschoss verbracht hatte, nicht dazu genutzt hatte, um Judith selbst beim Duschen zu helfen, sagte aber nichts. Letztlich machte es mir nichts aus, dass Ellen mir diese Aufgabe zugedacht hatte. Ganz und gar nicht. »Ich bin mir nicht sicher, aber es scheint so, als habe sie sich mit irgendetwas infiziert«,

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