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Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Titel: Nemesis 04 - In dunkelster Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Nachdruck in der Stimme. Der Wirt zögerte noch einen kleinen Augenblick, aber dann erhob er sich langsam mit dem Rücken zum Unterschrank, wobei seine nasse Jeans ein hässliches, schmatzendes Geräusch erzeugte, als sie sich von dem Gummibelag auf dem Boden löste. Ich zog eine angewiderte Grimasse und bedeutete ihm mit einer Geste, sich umzudrehen. »Leg deine Hände auf den Rücken«, befahl ich schroff.
    »Was ... was soll das?« Carl dachte überhaupt nicht daran, meiner Aufforderung nachzukommen, sondern drehte sich im Gegenteil erschrocken zu mir herum.
    Ich antwortete nicht. Eigentlich wusste ich ja selbst nicht, was ich hier tat, es gab keinen rationalen Grund, der mich dazu berechtigte, den übergewichtigen Wirt zu fesseln oder auf sonstige Weise zu quälen. Zwischenzeitlich rechtfertigte ich mein eigenes Tun mit dem Gefühl, dass er mir etwas verschwieg, und mit der Idee, dass er bewusst zu unserer unglückseligen Lage beigetragen hatte oder gar eine Mitschuld am Tod von Stefan oder Ed trug. Aber das waren nur Vorwände, mit denen ich mich vor meinem eigenen Gewissen reinwaschen konnte.
    Tatsächlich war ich froh, dass Ed nicht mehr unter uns war, und auch meine Trauer um Stefan beschränkte sich auf den Umstand, dass ich mit ihm die einzige nennenswerte männliche Unterstützung in diesem Horrorhaus verloren hatte. In Wirklichkeit war das kaum erträgliche, bittere Gefühl von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein, das Judiths Worte in mir ausgelöst hatten, mittlerweile in eine Art schwer zu zügelnder Wut umgeschlagen, und der Wirt war eine willkommene Zielscheibe, auf die ich meine brennenden Hasspfeile abfeuern konnte. Der Dicke machte ohnehin nichts als Ärger. Wenn er nicht selbst der Mörder war, den wir suchten, dann war er zumindest der Erfüllungsgehilfe des Killers, der hier umging. Außerdem hatte er uns hier heraufgebracht. Er war verschont worden, als Ed getötet worden war, obwohl er den Tod tausendfach eher verdient hätte!
    Ich setzte ihm die Klinge des Napola-Dolches an die Kehle. »Am liebsten würde ich dich hiermit ausweiden, Dickerchen«, zischte ich boshaft. »Was glaubst du, wie lange es dauert, mit dieser Klinge deine Schwarte abzulösen? Es geht sicher schneller, als sich in der Klinik das Fett absaugen zu lassen, und trotzdem verspreche ich dir, dass wir noch eine ganze Weile unseren Spaß miteinander haben werden, ehe du den Löffel abgibst.«
    »Du ... du hast gehört, was Ellen gesagt hat. Du sollst mich nach oben bringen!« Carl versuchte, vor mir zurückzuweichen, aber es blieb bei dem Versuch, und so beugte er sich nur so weit rückwärts über die Arbeitsplatte, dass sein blutverklebtes Haar ein hässliches Muster auf dem beklebten Sperrholz hinterließ, eine Unzahl haarfeiner, blutroter Äderchen auf weißem Untergrund.
    Ich konnte den Hexenschuss, den er sich bei diesem, in Anbetracht seines Alters und seiner Körperfülle, fast akrobatischen Ausweichmanöver wahrscheinlich zuzog, beinahe hören und sah, wie sich zu dem Ausdruck von Angst auch noch einer von empfindlichem Schmerz gesellte, aber mein Mitleid hielt sich in von Scharfschützen und Bluthunden bewachten Grenzen.
    »Sie hat gesagt: Kümmerst du dich um Carl?«, verbesserte ich ihn mit einem sardonischen Lächeln.
    »Das kann man sehr weit auslegen. Glaubst du wirklich, einem von uns wäre an dir gelegen? Du widerst mich an.
    Ich glaube nicht, dass Ellen dich wieder sehen will.
    Schon vergessen, wie du uns im Keller herumgeschubst hast?«
    »Ich ... ihr ... Es tut mir Leid«, stammelte der Wirt und richtete sich im Zeitlupentempo wieder auf, wobei er den blutverschmierten Dolch in meiner Hand nicht den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen ließ. Dann sank er zitternd vor mir auf die Knie. »Ich werde niemandem von euch etwas tun, ganz bestimmt nicht. Das ... das könnte ich doch gar nicht! Bitte ...« Ich sah, wie sich seine Augen mit Tränen füllten. Der Wirt schluchzte. Ein wenig Schnodder rann aus seiner Nase und auf seine Oberlippe hinab, aber sein jämmerlicher Anblick verschaffte mir keine Befriedigung, und er lockte auch nicht mein Mitgefühl hinter der mit Stacheldraht bewehrten, meterhohen Mauer hervor, hinter der es sich verschanzt hatte, sondern stachelte mich im Gegenteil eher noch mehr auf. Ich verspürte eine abartige Lust, ihm seine fleischige Knubbelnase mit der Klinge in meiner Hand abzutrennen, damit er zumindest in dieser Hinsicht aufhörte, mein Ästhetik liebendes Auge mit seinen

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