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Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Titel: Nemesis 04 - In dunkelster Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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redete Ellen weiter. »Weiß der Teufel, was für Keime es in diesem Bauschutt gibt. Es ist ungewöhnlich, wie sehr sie entkräftet ist und wie schnell sie Fieber bekommen hat. Das kann natürlich auch mit dem hohen Blutverlust zusammenhängen, darüber hinaus gibt es eine ganze Menge Menschen, die auf Stress und Ärger mit hohem Fieber reagieren. Aber ich habe ein ungutes Gefühl. Ich wüsste gerne, was für Versuche man in den Gewölben unter der Burg gemacht hat.« Auf einmal wirkte Ellen wieder müde und ausgelaugt. Ihr kurzer Vortrag hatte sie sichtlich erschöpft, und für einen Moment blickte sie an mir vorbei auf die nackte Zimmerwand, wirkte weggetreten und schweifte gedanklich vielleicht ein weiteres Mal durch das unheimliche Labyrinth, vielleicht dachte sie an die Laborberichte, die sie dort überflogen hatte. Schädelvermessungen, dachte ich. Wozu, um alles in der Welt, benötigten Wissenschaftler hunderte, möglicherweise gar tausende von Schädelvermessungen? Ich wusste es nicht. Ellen hingegen hatte im Keller den Eindruck gemacht, als hätte sie eine vage Ahnung, die sie aber nicht aussprechen wollte oder konnte. Vielleicht, weil sie einfach zu absurd, zu unmenschlich, zu abartig war?
    Ellen ließ sich neben Judith auf dem schmalen, zerwühlten Bett nieder und strich sich mit gespreizten Fingern durch das – obwohl noch immer nasse – seidig glänzende Haar.
    »Nimm es mir nicht übel, Carl«, seufzte sie kraftlos,
    »aber du stinkst unerträglich. Bitte bring ihn raus zum Duschen, Frank.«
    »Du kannst mich doch nicht mit diesem Folterknecht
    ...«, begehrte der Wirt auf, und auch ich wollte protestieren, denn obwohl auch ich den Gestank, den Carl im Raum verbreitete, nur äußerst schwer ertragen konnte, hielt ich es für wesentlich wichtiger, mich zuerst um Judith zu kümmern, damit Ellen sie dann vernünftig versorgen konnte. Aber die Ärztin fiel Carl ins Wort und kam mir zuvor.
    »Du solltest den Bogen nicht überspannen, Carl«, sagte sie, aller Erschöpfung zum Trotz in dominanter, fast drohender Tonlage. »Glaubst du etwa, wir nehmen dir die Fesseln ab und lassen dich hier allein herumlaufen?
    Für wie blöd hältst du uns eigentlich?« Also doch, dachte ich zufrieden. Sie hatte versucht, Maria nach Kräften zu diskreditieren, jeden Verdacht auf sie zu lenken, wahrscheinlich, weil sie sie auf den Tod nicht ausstehen konnte. In Wirklichkeit aber hatte auch sie den Wirt im Visier. Ellen blickte einen kurzen Moment auf den Napola-Dolch in meiner Hand, dann maß sie den Althippie mit abschätzendem Blick. »Wenn er noch einmal versucht, uns zu bescheißen, ist es mir egal, ob du mit oder ohne ihn vom Duschen zurückkommst«, sagte sie an mich gewandt, ohne dabei den kühlen, harten Blick aus ihren eiswasserblauen Augen von Carl abzuwenden.
    »Hört mal!«, fuhr der dicke Wirt auf, aber dieses Mal war ich es, der ihm ins Wort fiel.
    »Halt's Maul, Carl«, sagte ich mehr genervt als drohend, trat auf Stefans Tasche zu, hob sie auf und schloss meine Rechte ein wenig fester um den Dolch, um mit der Spitze der Waffe auf den Ausgang zu deuten. Ich hatte keine Lust, mich mit Ellen über ihren meiner Meinung nach unlogischen Plan auseinanderzusetzen. Sie war die Ärztin und würde schon wissen, was sie tat, und wenn nicht, dann trug sie letzten Endes zumindest die alleinige Verantwortung für das, was ich für einen organisatorischen Fehler hielt. »Du kennst den Weg zu den Duschen«, sagte ich.
    Der Wirt reagierte zunächst nur zögerlich, aber er kam meiner Aufforderung nach. Grob stieß ich ihn vor mir her durch den schlecht beleuchteten Flur Richtung Duschraum. Der unbegründete, brennende Hass, den ich im Untergeschoss ihm gegenüber verspürt hatte, war versiegt; ich war noch immer wütend auf ihn und machte mit meinem Verhalten ihm gegenüber auch keinen Hehl daraus, aber der an Mordlust grenzende Sadismus hatte sich weitestgehend gelegt, sodass ich nicht mehr das Bedürfnis verspürte, dem Dicken den Adamsapfel aus dem Rachen zu schälen, damit er endlich still war. Stattdessen bemerkte auch ich langsam, was ich eben noch an Ellen und bereits in der Küche an Judith beobachtet hatte: Ich wurde müde. Die vergangenen Stunden (die letzten beiden Tage, um genau zu sein, denn schließlich hatte meine Anreise mit einem Flug über den Atlantik begonnen) hatten mich physisch wie psychisch an den Rand meiner Kräfte gebracht, eigentlich sogar längst darüber hinaus, und alles, was mich den aufrechten

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