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Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Titel: Nemesis 04 - In dunkelster Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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schüttelte ablehnend den Kopf.
    »Weil sich die Menschheit daran erinnern muss, wozu Menschen fähig sind«, entgegnete ich.
    »Das ist doch verlogener Quatsch!«, fuhr der Wirt auf.
    »Heute wird mit dem Holocaust und den Nazi-Verbrechen Geld verdient. Wöchentlich wird wohl dosierter Horror in Dokumentationen über das Dritte Reich im Fernsehen gesendet und dauernd erscheinen neue Bücher.
    Das ist doch schon eine eigene kleine Industrie, in der Geld gescheffelt wird mit den Verbrechen der Nazis und mit dem Sich-Suhlen-in-Betroffenheit! Findest du etwa, dass das der richtige Umgang mit den Verbrechen des Dritten Reichs ist? Kann man das moralisch verantworten, dass mit dem Elend der Opfer Geld verdient wird?
    Denk mal darüber nach, dann wirst du merken, wie verlogen das ganze Tamtam um das Dritte Reich ist!«
    Mir war eher nach Ausholen und Zuschlagen, als nach Nachdenken, während der Wirt seine dümmliche, routiniert heruntergespulte, nahezu auswendig gelernt klingende Argumentation hervorbrachte, aber ich riss mich auch jetzt wieder zusammen. Ich hatte keine Lust, mich noch einmal auf sein Niveau zu begeben und letzten Endes vielleicht Gefahr zu laufen, hinterher nicht anders auszusehen als er – sein Auge hatte mittlerweile einen tiefblauen, annähernd schwarzen Farbton angenommen –, wenn er auf die Idee kam, sich gegen meinen Angriff zur Wehr zu setzen. Darüber hinaus war ich innerlich noch viel zu sehr damit beschäftigt, meine lebhafte Vorstellung von den Gräueln, von denen ich in den vergangenen Minuten gehört und gelesen hatte, zu bekämpfen.
    Kanülen, die in schreckensweite, dunkle Kinderaugen gestoßen wurden, woraufhin diese sich wahrscheinlich nicht blau, sondern blutrot gefärbt hatten, durch die sterilen Gänge eines Labors hallende, grauenhafte Kinderschreie, aus denen unsagbarer Schmerz und pure Todesangst klang ... So etwas konnte, durfte es einfach nie gegeben haben! Fast neigte ich dazu, mich der primitiven Meinung des Wirtes anzuschließen, um meine auch im Erwachsenenalter noch durchaus verletzliche Seele vor den grauenhaften Bildern meiner Fantasie zu schützen, aber mein kritischer Verstand ließ mich an meinem Standpunkt festhalten.
    »So betroffen mich das alles macht, ist mir meine eigene Haut doch wichtiger als die von Leuten, die vor fast sechzig Jahren ermordet wurden«, lenkte Judith ab.
    »Statt hier moralische Diskussionen zu führen, könntet ihr vielleicht netterweise mal darüber nachdenken, was das alles mit dieser Burg hier zu tun hat. Ich meine, das würde uns vielleicht wirklich weiterhelfen. Vielleicht steht ja auch hier drin, was das alles mit uns zu tun hat?
    Wir müssen uns nur in Maria hineindenken ...«
    »Was das mit der Burg zu tun hat, kann ich euch sagen.« Carl erhob sich, stemmte die Fäuste in die Hüften und blickte uns der Reihe nach herausfordernd an. Es störte mich immer mehr, wie der Althippie nach und nach wieder Oberwasser gewann und tat, als hätte er längst vergessen, dass jeder von uns ihn auf der Stelle in seine Bestandteile zerlegen würde, sobald er etwas Unbedachtes tat. Er war jahrelang Hausmeister in diesem Kasten gewesen und würde uns ganz bestimmt nicht die Wahrheit darüber erzählen, schon gar nicht, wenn er dadurch Gefahr lief, seinen verdammten Nazi-Schatz teilen oder gar an den Staat herausrücken zu müssen. »Gar nichts hat das mit Crailsfelden zu tun«, behauptete Carl mit fester Stimme. »Absolut nichts! Hier hat es nie ein Konzentrationslager oder auch nur irgendein Krankenhaus gegeben, in dem man Menschenversuche hätte unternehmen können. Maria hat sich da in irgendwas verrannt. Ihr habt doch selbst erlebt, was sie für eine Fanatikerin sein konnte. Sie hat Ed mit dem Tod bedroht, nur weil er der Enkel von irgendeinem SS-Heini war!«
    »Und der Keller«, wandte Judith ein, ehe ich eine entsprechende Bemerkung machen konnte. »Die ganzen Dokumente, die Labors und die vermauerten Gänge ...?«
    »Das liegt doch alles auf der Hand!«, sprudelte Carl hervor, aber die Eile, mit der er sprach, legte mir nahe, ihm noch weniger zu glauben, als ich mir ohnehin vorgenommen hatte. Mir kam es vor, als hätte er sich das, was er sagte, schon Jahre zuvor zurechtgelegt. »Die haben einen Schatz hierher gebracht«, behauptete der Wirt. »Die Strategie dahinter ist ebenso einfach, wie genial: Es war ganz klar, dass die Alliierten das Tal hier überrollen würden, und auch, dass von den Leuten hier kein großer Widerstand käme. Hier gab

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