Nemti
aber nicht sagen, wohin.«
»Das heißt, der Mann ist weg und keiner weiß, wo er sich aufhält? Gefällt mir nicht.«
»Wir haben ihn zur Fahndung ausgeschrieben. Richtig?«
»Okay.«
»Wie ist es bei Ihnen gelaufen?«
»Kann ich noch nicht sagen. Die Tote ist Gleißners Mutter.«
»O Mann. Wer sagt es ihm?«
»Herr Dux übernimmt das. Rufen Sie bitte an, Herr Weinbrecht. Gleißner soll in den Vernehmungsraum gebracht werden.«
»Ich hole mir von Frau Prohaska Klarsichthüllen für die Fotos.«
»Brauchen Sie nicht, haben wir selbst.«
Lukas sortierte die Fotos ein. Erinnerungen an seine Vergangenheit tauchten auf, an den leckeren Pflaumenkuchen, den Frau Gleißner jedes Jahr für Jan und seine Freunde gebacken hatte. Er schnaufte. Ein solches Ende hatte sie nicht verdient.
Habermehl riss ihn aus seinen Gedanken. »Wir sollten langsam rübergehen. Er dürfte jetzt da sein.«
»Diesmal der Oberbulle und sein Möchtegernbulle.« Jan sah Lukas verächtlich an. »Ich verweigere die Aussage.«
»Das ist dein Recht. Willst du einen Anwalt anrufen, oder soll ich das erledigen?«
»Du schon gar nicht. Nicht nötig. Ich sage nichts.«
»Brauchst du auch nicht. Aber vielleicht hörst du mir zu.«
»Warum sollte ich? Da gehe ich doch lieber in meine Zelle zurück.« Er erhob sich demonstrativ.
»Nur ein Blick, Jan. Wirf bitte nur einen Blick auf das Foto.«
»Ich denke nicht daran. Lasst mich doch alle in Ruhe.«
»Wir haben heute Morgen an der Stelle, wo du den alten Mann töten wolltest, eine Frauenleiche gefunden. Ihr wurde die Kehle durchgeschnitten. Sie war blutleer und mit dem Symbol des Stierschenkels gekennzeichnet.«
Jan horchte auf und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Er strahlte über das ganze Gesicht. »Erzähl weiter. Das ist das Beste, was ich von euch bisher gehört habe. Eine himmlische Nachricht. Der Meister hat die Mission vollendet.«
»Ich denke nicht, dass du einen Grund hast, dich darüber zu freuen. Sieh her. Schau dir das Opfer deines Meisters an.« Lukas schob das Foto in seine Richtung. »Sieh genau hin, Jan. Es ist deine Mutter.«
Jan warf einen kurzen Blick auf das Foto. »Mutter«, schrie er entsetzt auf. »Das kann nicht sein. Du lügst. Das ist ein billiger Trick. Eine Fotomontage. Du Dreckskerl willst mich reinlegen. Ich glaube dir nicht.«
Habermehl ergriff das Wort. »Wir haben es nicht nötig, zu solchen Mitteln zu greifen. Wir sind hier nicht in einem schlechten Film. Alles, was Herr Dux gesagt hat, entspricht der Wahrheit. Glauben Sie es.«
Jan trommelte mit den Fingerspitzen auf den Tisch und starrte Habermehl an.
»Jan, sieh her. Schau dir deine Mutter an.«
Er betrachtete das Bild und schrie auf. »Mutter, nein. Was hat er mit dir gemacht? Mutter.« Schreiend sackte er auf dem Stuhl zusammen und begann herzzerreißend zu weinen.
»Können wir ihm die Dinger nicht abnehmen?«, fragte Lukas.
Habermehl gab dem Uniformierten ein Zeichen.
Lukas schob Jan ein Paket Tempotaschentücher zu.
Das Weinen ging in bemitleidenswertes Schluchzen über. »Das hätte er nicht tun dürfen. Nicht meine Mutter.« Jan schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ich sage aus und beantworte jede Frage. Was wollt ihr wissen?« Mit rot unterlaufenen Augen sah er Lukas an.
»Tut mir leid, Jan. Möchtest du ein Glas Wasser?«
»Ja, bitte.«
»Hatte ich gestern recht? Ist Kamal el Hadary dein Meister?«
»Der hat damit nichts zu tun.« Ein weiterer Weinkrampf schüttelte ihn. »Mein Opa.« Verzweifelt sah er Lukas an. Seine Stimme versagte kurzzeitig. »Mein Opa hat’s getan. Er ist der verdammte Meister.«
»Stopp, Herr Dux.« Habermehl legte Lukas eine Hand auf den Arm. »Jetzt übernehme ich. Holen Sie bitte Herrn Weinbrecht her.«
Kopfschüttelnd verließ Lukas das Vernehmungszimmer. Damit, dass Opa Erwin der Meister war, hatte er im Traum nicht gerechnet. Er tupfte mit einem Finger auf die Wunde über der Augenbraue. Ein leichter Schmerz erinnerte ihn an seinen Arzttermin.
*
Sie mussten schnell handeln. Habermehl beauftragte Weinbrecht, einen Haftbefehl und einen Durchsuchungsbeschluss zu beantragen. Sie benötigten beides nicht zwingend, denn der Fall erforderte rasches Eingreifen. Gefahr in Verzug. Habermehl hatte das Recht auf seiner Seite. Er trommelte alles zusammen, was er an Beamten auftreiben konnte.
»Hat Jan ausgepackt?«, fragte Lukas, der inzwischen zurück war.
»Er hat sich einiges von der Seele geredet. Erzähle ich Ihnen bei
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