Nemti
schwammig im Kopf.«
Habermehl winkte den Polizeibeamten heran, der neben der Tür wachte. »Nehmen Sie dem Mann die Handschellen ab.«
Gleißner streckte die Arme hoch und warf ihm einen dankbaren Blick zu. Der Uniformierte schloss auf. Aufatmend rieb er sich die Handgelenke und schüttelte die Arme aus. »Hört Lukas zu?« Er deutete mit dem Kopf in Richtung der verspiegelten Glasscheibe.
»Ja. Konzentrieren Sie sich auf uns. Wir stellen die Fragen.«
»Haben Sie den Alten verhaftet?«
»Ihr Großvater ist festgenommen worden.«
»Was sagt er? Warum ausgerechnet meine Mutter?«
»Wir konnten ihn noch nicht verhören. Er war sturzbesoffen.«
»Ist mal wieder typisch für ihn.« Gleißner warf die Hände hoch und fiel gegen die Rückenlehne. »Andere rumkommandieren und schikanieren. Und wenn es hart für ihn kommt, stiehlt er sich in den Suff.«
»Wir haben Sie nicht herbringen lassen, um über Ihren Großvater zu sprechen. Es geht ausschließlich um Sie.«
»Am liebsten würde ich das Schwein eigenhändig für Mutters Tod bestrafen.«
»Es ist unsere Aufgabe dafür zu sorgen, Verbrecher ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Fangen wir an.«
Weinbrecht drückte den Aufnahmeknopf am Rekorder und Habermehl sprach in das Mikrofon. »Freitag, 21. September 2001. Verhör von Jan Gleißner. Anwesende Kommissare: Kriminalhauptkommissar Habermehl und Kriminaloberkommissar Weinbrecht. Bleiben Sie dabei, dass Sie bereitwillig aussagen wollen, Herr Gleißner?«
»Hatte ich doch gesagt.«
»Sie werden beschuldigt, drei Morde und eine schwere Körperverletzung begangen zu haben.«
»Stopp. Ich bin nicht bereit, die alleinige Verantwortung zu übernehmen. Der Alte trägt eine gehörige Portion Mitschuld.«
»Erklären Sie uns das.« Habermehl verschränkte die Arme vor dem Bauch.
»Ich hielt die Taten für meine Pflicht. Das hat er mir immer wieder eingehämmert.«
»Warum haben Sie sich nicht dagegen gewehrt?«
»Ha, da kennen Sie den Alten schlecht. Der kann sehr überzeugend sein, ein Charismatiker. Ich muss etwas ausholen, damit Sie es verstehen. Kann ich ein Glas Wasser bekommen?«
Weinbrecht gab dem Uniformierten ein Zeichen.
»Mein Vater kam bei einem tragischen Arbeitsunfall ums Leben. Ich habe sehr an ihm gehangen, müssen Sie wissen. Seit Vaters Tod hat er sich um mich gekümmert. Er war immer präsent und übernahm meine Erziehung.«
»Als Vaterersatz, verstehe. Wie alt waren Sie da?«
»Ich glaub nicht, dass Sie das verstehen. Mein Opa hat eine abnormale Vaterrolle übernommen, um es einmal so auszudrücken. Ich war damals zwölf, für jedes Abenteuer empfänglich. Meiner Mutter und meiner Oma hat er sogar eindringlich untersagt, sich in die Erziehung einzumischen. Er hatte immer ein offenes Ohr und stand mir stets mit Rat und Tat zur Seite. Er ermöglichte mir das Studium. Das nötige Geld lag immer bereit.«
Der Beamte stellte das Glas vor Gleißner auf den Tisch. Dieser nahm einen großen Schluck und räusperte sich.
»Alles, was Sie bisher erzählt haben, stellt keinen Grund dar, zum Mörder zu werden«, sagte Weinbrecht.
»Hören Sie zu. Ich habe ihn geliebt und geachtet. Er war mein großes Vorbild. Behutsam führte er mich in seinen Glauben ein und unterrichtete mich. Ich habe alles getan, was er von mir verlangte.«
»Wieso erwähnen Sie seinen Glauben? In der Akte steht, er sei Katholik.«
»Nur auf dem Papier und um den Nachbarn vorzugaukeln, ein guter Christ zu sein. Der Pharisäer. Schließlich überzeugte er mich, dass wir gemeinsam die Welt retten müssten. Das war sein wahrer Glaube. Sein ganzes Streben war auf dieses Ziel ausgerichtet.«
»Die Rettung der Welt als Lebensinhalt. Eine fantastische Vorstellung«, sagte Habermehl. »Aber wie sollte das ablaufen?«
»Auf das Wie kam es ihm nicht an, sondern auf das Wann. Die Rettung der Welt oblag dem göttlichen Seth allein. Wir mussten dafür Sorge tragen, dass ihm der Weg geebnet wurde. Und das konnte nur zu einer bestimmten Zeit geschehen, wenn nämlich Nemti erschien.«
»Sie wollen damit sagen, dass dieser Komet sozusagen als Mittler zwischen Seth und Ihnen diente?«
»Nemti stellte ein eindeutiges Zeichen dar. Seth war bereit, die Erde zu betreten und Kraft seiner Macht alle Dinge wohl zu ordnen.«
»Sie haben, mit Verlaub, den Quatsch geglaubt?« Weinbrecht schüttelte voll Unverständnis den Kopf.
»Das ganze Drumherum des Kults, die Zeremonien, die Überzeugungskraft des Maître, wie ich ihn ansprechen musste,
Weitere Kostenlose Bücher