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Nemti

Nemti

Titel: Nemti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wloch
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sorgten dafür, dass ich niemals Zweifel hegte. Er hat mir alles glaubhaft und als unbedingt erforderlich nahegebracht.«
    »Sie sprechen von einer Art Gehirnwäsche?«, fragte Habermehl.
    »Wenn Sie es so nennen wollen, ja. Irgendwie war ich ihm hörig. Ich war nur allzu gern bereit, Menschenblut für die Rituale zu besorgen. Es war mir eine Ehre, Seth dienen zu dürfen. Ein unbändiger Stolz erfüllte mich, wenn wir es dem Glorreichen gemeinsam im Tempel präsentierten.«
    »Welche Rolle kam Ihrem Vater zu, als er noch lebte?«
    »Er war der designierte Nachfolger des Maître. Ich erinnere mich noch, dass er bei der Nachricht von seinem Tod fast zusammenbrach. Viele Jahre Ausbildung waren mit einem Schlag dahin. Später hat er lautstark geflucht, wie es mein Vater wagen konnte, so schmählich von der Bühne abzutreten.«
    »Danach sind Sie, anstelle Ihres Vaters, in die Geheimnisse des Kults eingewiesen und gedrillt worden, die grausamen Taten zu begehen.«
    »So habe ich das damals selbstverständlich nicht gesehen. Aber Sie haben völlig recht. Ich habe ein schreckliches Erbe übernommen. Das ist mir inzwischen bewusst geworden.« Gleißner senkte den Blick und knetete seine Hände.
    »Vorhin haben Sie einen Tempel erwähnt.«
    »Von ihm geht eine Faszination aus, die ich nicht beschreiben und der man sich kaum entziehen kann.«
    »Wo befindet sich der Tempelraum?«
    Er zögerte, als müsste er das Geheimnis des Tempels wahren.
    »Ich frage Sie frei heraus«, fuhr Habermehl fort, »befindet er sich im Keller hinter der Stahltür?« Es war ein Schuss ins Blaue, aber er traf.
    »Es stimmt. Dahinter liegt das Allerheiligste, der Tempel des glorreichen Seth. Schon als Kind wollte ich wissen, was die Tür verbarg. Doch sie war immer verschlossen.«
    »Wir werden uns Zugang verschaffen. Ist der Tempel lediglich ein Raum für Zeremonien, für Blutopfer?«
    »Er ist einem altägyptischen Tempel nachempfunden, nur in viel kleinerem Maßstab. Ja, wir haben Blutopfer zelebriert, das Blut sogar getrunken.«
    »Widerlich.« Habermehl blickte Weinbrecht angeekelt an und verzog den Mund. »Fahren Sie fort.«
    »Dort werden Kultgegenstände aufbewahrt, Räucherwerk, Salben und …« Er zögerte, als wäre er mit seiner Aussage zu weit gegangen.
    »Was wollten Sie noch sagen? Machen Sie reinen Tisch. Das ist Ihre einzige Chance.«
    Gleißner schluckte. »In einer verschlossenen Truhe befinden sich Dokumente und Manifeste, aus denen unter anderem die Rechtfertigung für unsere Taten nachvollziehbar hervorgeht.«
    Habermehl blickte auf seine Armbanduhr. »Verdammt, schon so spät. Der Gefangenenkraftwagen wird bald kommen.« Er traf eine Entscheidung. »Okay. Beenden wir für heute unser Gespräch.«
    Weinbrecht schaltete das Bandgerät ab.
    »Soll ich ihn zurück in die Zelle bringen?«, fragte der Polizeibeamte.
    »Einen Augenblick noch«, entgegnete Weinbrecht und wandte sich Gleißner zu. »Sollten Sie keinen Anwalt kennen, rufen Sie den Anwaltsnotdienst an. Das ist eine Notrufnummer, unter der Sie jederzeit einen Strafverteidiger erreichen können.«
    Es klopfte und ein Justizvollzugsbeamter steckte den Kopf durch den Türspalt. »Wir sind beauftragt, den Gefangenen abzuholen.«
    Gleißner erhob sich langsam. Die Beamten legten ihm Handschellen an. Beim Hinausgehen warf er einen Blick auf die Scheibe, hinter der er Lukas vermutete. »Wenn du mich hörst, Lukas, glaub mir. Es tut mir alles sehr leid.«

Samstag, 22. September 2001
     
     
     
    L ukas saß Weinbrecht gegenüber an dessen Schreibtisch. Sie unterhielten sich mit Beyer über die Festnahme von Jan und Erwin Gleißner. Es klopfte und Lukas wirbelte herum. Habermehl steckte den Kopf durch die Tür des Dienstzimmers.
    »Herr Dux, gehen Sie bitte zur Pförtnerloge und holen eine Dame ab.«
    »Gern. Wo soll ich sie hinbringen?«
    »In unser Büro. Herr Weinbrecht und Herr Beyer, Sie kommen bitte dazu. Sie hat uns etwas mitzuteilen.«
    Lukas eilte ins Treppenhaus, die Stufen hinunter. Eine ältere Dame saß in einem Sessel der Sitzgruppe und blätterte in einer Illustrierten. Er näherte sich von der Seite und sprach sie an.
    Sie legte die Lektüre zurück auf den Tisch und blickte auf. »Lukas, Junge, was machst du denn hier? Das ist eine Überraschung.« Die Frau stand auf und streckte ihm die Hand entgegen. »Du hast dich kaum verändert. Groß bist du geworden. Entschuldige, ich sollte lieber Sie zu dir sagen.«
    »Brauchen Sie nicht. Schließlich kennen Sie mich

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