Nemti
startete, sah er den Kommissar aus dem Haus kommen. Der Pförtner hatte ihn mit Hauptkommissar angesprochen. War das etwa Kriminalhauptkommissar Habermehl? Wenn ja, dann staute sich gleich bei ihrer ersten Begegnung gehörig Zündstoff an, und das war bestimmt nicht zu seinem Vorteil.
Lukas fand einen Parkplatz und eilte zurück zur Pförtnerloge. »Mann, ist der bärbeißig. Ist der immer so?«
»Nein. Normalerweise ist er sehr umgänglich.«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Mit dem möchte ich nichts zu tun haben.«
»Werden Sie aber.« Er grinste verschmitzt. »Das war Kriminalhauptkommissar Habermehl.«
»Heiliger Maigret, ich habe es befürchtet.« Lukas schlug mit der flachen Hand auf den Empfangstresen. Ausgerechnet mit dem Mann, der ihm die Praktikantenstelle ermöglicht hatte, musste er aneinandergeraten. Wieso hatte er seine Stimme nicht erkannt? Sie hatten schließlich telefoniert. Ein toller Einstand. »Da habe ich wohl ordentlich ins Fettnäpfchen getreten, was?«
»Kann man so sagen.«
»Bockmist. Wenn ich Pech habe, ist mein Praktikum beendet, bevor es angefangen hat.«
»So schlimm wird es schon nicht werden.«
»Ihr Wort in Gottes Ohr.« Lukas seufzte und ließ die Schultern hängen.
»Den alten Herrn lassen Sie aus dem Spiel. Kommen Sie mit.«
Habermehl stand hinter ihm, ohne dass Lukas sein Kommen bemerkt hatte. Der vorhin noch so übel gelaunte Kommissar strahlte mittlerweile Gelassenheit aus.
»Herr Hauptkommissar, ich …« Lukas versuchte eine Schadensbegrenzung, wurde aber sofort unterbrochen.
»Habermehl. Wir reden uns hier mit Namen an und nicht mit dem Dienstgrad. Gehen wir.«
Sie stiegen die Treppen hinauf, Lukas einen Schritt hinter dem Kommissar.
»Ich wollte mich doch nur …«
»Entschuldigen? Lassen Sie es. Ich weiß zu schätzen, wenn jemand seine Auffassung vertritt. Aber es gibt in unserem Haus gewisse Regeln, an die Sie sich zu halten haben, auch wenn Sie nur für drei Monate bei uns sind. Erstens: Der Parkplatz ist für den Leiter des Kommissariats für Gewaltdelikte reserviert, also für mich.«
»Und zweitens?«
»Zweitens heiße ich Sie in Mayen herzlich willkommen.«
»Ich dachte, Sie …«
»Was dachten Sie? Ich sei nachtragend? Da kennen Sie mich schlecht.«
»Ich kenne Sie überhaupt nicht.«
»Das wird sich ändern. Kommen Sie, ich stelle Sie den Kollegen vor.« In der ersten Etage blieb er vor einer weiß lackierten Tür stehen, deutete ein Klopfen an und stieß sie weit auf.
An einem Schreibtisch stehend, studierte ein Mann den Inhalt einer Aktenmappe. Erschrocken hob er den Kopf.
Lukas schätzte ihn auf um die Vierzig. Sein leicht vorstehendes Kinn zierte ein Grübchen. Der modische Kurzschnitt ließ das dunkelbraune Haar gut zur Geltung kommen. Er war von schlanker Statur und wirkte gepflegt. Der herbe Duft seines Rasierwassers umwehte ihn dezent.
Habermehl begrüßte ihn. »Ich möchte Ihnen Lukas Dux vorstellen. Sie wissen schon, den jungen Mann, der sein Praktikum bei uns absolvieren wird.«
Oberkommissar Uwe Weinbrecht hieß ihn willkommen, doch Lukas registrierte eine unterschwellige Distanziertheit.
»Wo ist Herr Beyer?«
»In der Kriminaltechnik. Er bringt eine Akte zurück.«
»Okay. Warten wir.«
Im nächsten Moment flog die Tür auf, und ein Mann trat ein. Er murmelte einen Gruß und stellte sich als Kommissar Beyer vor. Mit einer Hand strich er über den raspelkurzen roten Bürstenhaarschnitt. Beyer war einige Jahre älter als Lukas, Anfang dreißig, und einen halben Kopf größer als Weinbrecht. Im rechten Ohr trug er einen grün schimmernden Ohrstecker.
»Nun haben Sie meine Mitarbeiter kennengelernt. Alles Weitere später. Noch Fragen?«
»Ja, wo soll ich sitzen? Hier ist wohl kein Platz.«
»Sie werden nicht nur irgendwo sitzen, sondern auch arbeiten. Und zwar in meinem Büro. Ich hoffe, das macht Ihnen nichts aus?«
»Warum sollte es? Weil Sie der Chef sind?«
»Sie haben keine Berührungsängste?«
»Nein. Da muss es schon dicke kommen, bevor ich Angst habe.«
»Das ist eine gute Voraussetzung für unseren Beruf. Aber ich verspreche Ihnen, dass Sie Angst bekommen werden.« Er wischte mit einem Taschentuch über die Stirn.
»Hört sich beunruhigend an«, erwiderte Lukas.
»Ich will damit nur sagen, dass es in unserem Beruf oft Situationen gibt, in denen die Angst vor dem, was passieren könnte, zum Alltag gehört. Eines merken Sie sich, wenn während Ihres Praktikums eine brenzliche Situation entstehen sollte,
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