Nemti
Zwei Morde im Abstand von siebzehn Tagen, mit gleicher Täterhandschrift.«
»Vermuten Sie einen Serientäter?«
»Wir unterscheiden zwischen Doppel- und Serienmord. Warten wir ab und lassen es offen.«
»Was kann ich tun?«
»Ich will Ihren Tatendrang nicht bremsen, aber Sie sind hier, um in der Praxis einen Eindruck von Ihrem zukünftigen Beruf zu bekommen. Selbstverständlich werden Sie im Rahmen Ihrer bisher erlangten Fähigkeiten beschäftigt. Wir werden Sie manchmal mit Aufgaben betrauen, die in Ihren Augen möglicherweise nicht immer prickelnd sein werden. Was im ersten Moment wie langweilige Beschäftigungstherapie aussieht, kann im Endeffekt wichtige Ermittlungsarbeit sein. Aber, darauf muss ich bestehen, es gibt keine Alleingänge.«
»Das sind klare Worte.«
»Die sein müssen. Wenn Sie die Hackordnung akzeptieren, sind Sie dabei. Halten Sie sich nicht daran oder schießen quer, gibt es gewaltigen Ärger.«
»Ich bin nicht hier, weil ich Ärger provozieren will. Das liegt mir fern.«
»Dann sind wir uns einig. Sie gehören ab sofort zu meinem Team.«
Habermehl beugte sich vor und hielt Lukas die Rechte hin. Froh gestimmt erwiderte er den kräftigen Händedruck.
»Leider müssen wir uns mit diesen abscheulichen Morden auseinandersetzen. Ich schlage vor, Sie lesen sich zunächst in die Fälle ein. Die Akten liegen bei den Kollegen. Machen Sie sich schlau.«
Habermehl griff nach einem Schnellhefter und schlug ihn auf. Das Gespräch war beendet. Kurz darauf verließ Lukas das Büro und ging zu Weinbrecht hinüber.
»Herr Habermehl hat gesagt, Sie hätten die Ermittlungsakten der Mordfälle. Kann ich sie haben, um mich einzulesen?«
»Klar.« Weinbrecht rollte mit dem Bürostuhl rückwärts, umkurvte elegant einen Ficus benjamina und kam vor seinem Schreibtisch zum Stehen. Mit den Fingerspitzen zog er eine Ermittlungsakte zu sich heran. »Da steht alles drin, was den Mord am Laacher Kopf betrifft. Damit sollten Sie anfangen.«
Lukas hatte bis zum späten Nachmittag damit zu tun, sich durch die Ermittlungsakte zu kämpfen.
Habermehl ließ ihn in Ruhe arbeiten. Nur einmal hatte er ihm angeboten, dass er ihn jederzeit stören dürfe, wenn Fragen auftauchen sollten oder Klärungsbedarf bestünde. Doch Lukas zog es vor, Notizen und Gedanken aufzuschreiben. So hatte er im Laufe des Nachmittags mehrere Seiten eines Schreibblocks mit Bemerkungen und Fragen zum Stand der Ermittlungen, zur Spurenlage und zu anderen wichtigen Details gefüllt.
Nachdem er drei Stunden lang die Welt um sich vergessen hatte und in die Abgründe des Mordfalls eingetaucht war, legte er den Aktenordner beiseite. Er reckte sich ausgiebig und erhob sich. Mit staksigen Schritten ging er zum Fenster und blickte hinaus.
»Sind Sie wieder bei uns?«, hörte er Habermehls Stimme.
»Ich verstehe nicht?«
»Sie waren so intensiv mit der Akte beschäftigt, dass Sie nicht einmal aufgesehen haben, als Beyer uns einen halbwegs genießbaren Kaffee gebracht hat. Wollen wir uns über den Mord unterhalten?«
»Gern.«
Habermehl packte seinen Bürostuhl an der Rückenlehne und rollte ihn vor Lukas’ Schreibtisch. Er setzte sich ihm gegenüber. »Haben Sie Fragen oder wollen Sie berichten, welche Erkenntnisse Sie aus den Unterlagen gezogen haben?«
»Es wäre mir lieb, meine Gedanken vorzubringen.«
»Einverstanden. Fangen Sie an.«
»Okay, das Opfer: Armin Baertel. Ich spare mir die persönlichen Daten. Er lebt von seiner Frau getrennt. Anlageberater bei einer Bank in Andernach, nicht aktenkundig.«
Habermehl nickte beifällig, denn er kannte den Inhalt der Akte recht genau.
»Wäre ein Motiv für den Mord möglicherweise in seinem Job zu suchen? Als Anlageberater wird er sich nicht nur Freunde gemacht haben.«
»Es gab natürlich Unstimmigkeiten mit Kunden, auch heftige Wortwechsel. Er soll auch Geld verzockt haben. Wir haben das überprüft, aber bei niemandem Anhaltspunkte gefunden, die auf einen Täter schließen lassen.«
»Der Mann lebte in Scheidung.«
Habermehl tupfte sich Schweißperlen von der Schläfe. »Ich kann nicht begreifen, wie sich Menschen, die sich einmal geliebt haben, dermaßen auseinanderleben können. Die Ehefrau ist selbstverständlich überprüft worden. Unverdächtig.«
»Das heißt, wir tappen, was das Motiv für den Mord angeht, im Dunkeln?«
»War das eine Frage oder eine Feststellung? Aber mit Ihrer Einschätzung liegen Sie richtig. Wir haben das Umfeld des Opfers abgeklopft und durchleuchtet.
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