Nemti
Ablenkungsmanöver ist, um uns zu täuschen.«
Habermehl antwortete nicht darauf.
Lukas blätterte weiter. Dabei fiel ihm etwas ein, wonach er unbedingt fragen musste. »Wieso werden die Fälle von Mayen aus bearbeitet? Bei Mord sind doch die Kollegen aus Koblenz zuständig.«
»Das ist richtig. Allerdings ist der Zuständigkeitsbereich sehr groß. Die Kollegen können nicht immer schnell vor Ort sein, sodass wir mit der Aufklärung von Mordfällen in unserer Gegend beauftragt werden.«
»Das leuchtet ein.« Lukas gab sich mit der Antwort zufrieden. »Zur Mordwaffe. Haben Sie herausgefunden, was es war? Im Bericht ist von einer großen Klinge die Rede, vielleicht eine Machete oder etwas Ähnliches.«
»Allein aus der Wunde konnte die Rechtsmedizin keinen Hinweis auf die mögliche Waffe ziehen, nur dass sie sehr scharf und wahrscheinlich gebogen war.«
»Groß, scharf und gebogen – was kann das sein?« Lukas seufzte. »Verfahrene Situation.«
»Wie recht Sie haben«, erwiderte Habermehl. »Lesen Sie die Akte des zweiten Mordes durch. Ich bezweifle zwar, dass Sie dort bessere Antworten finden werden, aber versuchen Sie es. Möglicherweise bringt uns ja die morgige Pressekonferenz weiter.«
»Bin ich dabei?« Lukas’ Kopf fuhr hoch.
»Von mir aus gern. Aber Sie werden im Publikum sitzen und nur zuhören. Verstanden?«
»Natürlich, Herr Habermehl. Ganz vorn, wenn es sich machen lässt.«
»Ich werde es veranlassen.« Der Hauptkommissar lachte.
Dienstag, 4. September 2001
A n diesem Morgen wäre Lukas beinahe zu spät gekommen. Lange hatte er vor dem Kleiderschrank gestanden. In welcher Garderobe sollte er bei der Pressekonferenz erscheinen, leger, sportlich oder elegant? Er entschied sich für einen dunkelgrauen Anzug.
Als er das Büro betrat, ordnete Weinbrecht Aktenmappen in ein Regal ein. Beyer nahm Blätter aus dem Faxgerät, legte sie auf Weinbrechts Schreibtisch und fixierte Lukas. »Ist das Ihr Kommunionanzug?«
»Ja. Erstaunlicherweise passt er immer noch. Ist nur frisch aufgebügelt worden.«
»Darf ich mal?«, fragte Weinbrecht und griff an die Aufschläge des Jacketts. Mit hochgezogener Unterlippe rieb er den Stoff zwischen den Fingern. »Feiner Zwirn. Maßanzug?«
»Was dachten Sie? Von Brioni, das Feinste vom Feinen«, erwiderte Lukas mit ernstem Gesicht.
»Was ist das denn für eine Marke? Nie davon gehört.« Beyer setzte eine säuerliche Miene auf.
»Pierce Brosnan trug Brioni-Anzüge, als er James Bond verkörperte. Und jetzt nehmen Sie bitte Ihre Finger aus meiner Jacke.«
Weinbrecht ließ los und sah Beyer achselzuckend an.
»Hallo! Das war ein Scherz«, klärte Lukas die beiden auf. »Verstehen Sie keinen Spaß?«
»Und alles nur ihretwegen«, erwiderte Weinbrecht hintergründig und zupfte einen Faden von Lukas’ Ärmel.
»Sie sprechen in Rätseln. Von wem reden Sie?«
»Von Frau Doktor Linus.«
»Die muss etwas ganz Besonderes sein, wenn Sie so geheimnisvoll von ihr sprechen. Wer ist sie?«
»Unsere Staatsanwältin.«
»Was ist neben ihrem Doktortitel so beeindruckend? Ihr Erscheinungsbild?«
»Sehen Sie.« Weinbrecht zog Lukas mit ans Fenster. »Die Dame hat etwas geschafft, was uns noch nie gelungen ist. Was fällt Ihnen auf?«
»Auf dem Stellplatz von Habermehl steht ein anderer Wagen.«
»Richtig erkannt. Dort parkt ein roter Alfa Romeo Spider – und zwar meiner. Guten Morgen, meine Herren.«
Wie vom Blitz getroffen wirbelten die Männer herum. Hinter ihnen standen Habermehl und eine zierliche Frau. Lukas schätzte sie auf vierzig bis fünfundvierzig. Das dunkelbraune Haar fiel ihr bis auf die Schultern. Sie trug ein Goldcollier und einen Fingerring, dazu die passenden Ohrringe. Die eingearbeiteten Edelsteine harmonierten mit der Farbe der Augen. In ihrem Blick entdeckte Lukas ein Funkeln, das auf einen wachen Verstand schließen ließ.
Verwirrt erwiderten sie den Gruß.
Lukas konnte den Blick nicht von der Frau lösen. Ihr war gelungen, woran andere gescheitert waren. Sie durfte Habermehls Parkplatz benutzen. Man musste es nur geschickt anstellen oder eine attraktive Frau sein.
»Herr Dux.« Habermehl riss ihn aus seinen Gedanken. »Ich möchte Sie bekannt machen.«
»Angenehm«, säuselte Frau Doktor Barbara Linus und warf ihm ein charmantes Lächeln zu. An Habermehl gewandt, fuhr sie fort: »Ich denke, wir sollten gehen.« Sie ging zur Tür. »Die Presse wartet.«
Mit energischen Schritten stöckelte sie vor Lukas her, Habermehl an ihrer
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